Reise durch ein kontroverses Land: Iran


Teil 1: Täbris, Teheran, Jamkaran
Teil 2: Kashan, Wüste Dasht-e Kavir, Isfahan, Yazd, Persepolis, Shiraz, Kerman, Wüste Dasht-e Lut, Mashhad
12. April - 05. Mai 2019

Um es gleich vorweg zu nehmen: dieser Reisebericht wird lang. ;) Es gibt so viel zu erzählen vom Iran, so viele Details und Dinge die man erklären muss um zu verstehen, wie der Iran tickt. Es wäre schade, manche der Geschichten außen vor zu lassen, daher haben wir uns dazu entschieden, den Reisebericht dieses Mal aufzuteilen. Hier ist der erste Teil unseres dreiwöchigen Trips durch den Iran, der zwar nicht der Hälfte unserer Reise in Tagen entspricht, dafür aber einige Spezifika des Landes näher beschreibt. Der zweite Teil folgt dann hoffentlich bald.
Viel Spaß und Durchhaltevermögen beim Lesen. :)

Teil 1:

Ein anstrengender Start – unsere ersten Tage im Iran

Die iranische Grenze läuft einfacher als gedacht. Da Freitag ist, was unserem Sonntag entspricht und daher frei für die Iraner, ist an der Grenze Minimalbetrieb, sowohl was die Fahrzeuge als auch die Mitarbeiter angeht. Das iranische Auto vor uns wird komplett gefilzt, wir stellen uns auf das Schlimmste ein. Letztendlich wird es die erste Grenze, die überhaupt nicht in unser Auto guckt, wir hätten also alles schmuggeln können. ;)

Uns erwartet tolle, bergige Landschaft als wir von der Grenze in Richtung der ersten großen Stadt, Tabris fahren. Die Passstraße führt uns an riesigen Schneebergen vorbei und wir sehen, dass durch die ansteigende Wärme Lawinen abgegangen sind. Wenn uns so eine erwischt, werden wir samt Bus den Berg herunter gespült, keine Chance.
Da heute iranisches Wochenende ist, werden wir gleich mit einer tollen iranischen Tradition bekannt gemacht: die Iraner picknicken an freien Tagen immer und überall, Hauptsache draußen. Wir sehen Familien und Freunde, die in Wiesen, am Straßenrand des „Highway“, in Parks, auf Bürgersteigen und manchmal auch zwischen Müll picknicken.

Wir kommen am späten Nachmittag in Täbris an, ohne Geld oder Handykarte. Durch die US-Sanktionen funktionieren die Kreditkarten im Iran nicht, da alle Kreditkartenfirmen amerikanisch sind. Wir haben zwar genug Euro und Dollar dabei, brauchen aber eine Stube um es in die iranische Währung Rial zu tauschen.
Als wir in die Stadt hinein fahren lernen wir den iranischen Verkehr kennen – der absolute Horror! Erstens sind die Straßen ständig komplett verstopft, zweitens gibt es hier weder Verkehrsregeln, noch gelten Ampeln, Fahrspuren oder Fahrtrichtungen etwas. Autos kommen von überall und immer wenn man nicht damit rechnet, im Kreisverkehr gewinnt der Schnellere und Helm tragen oder Anschnallen gibt es sowieso nicht. Zu allem Überfluss laufen noch überall Fußgänger durch die Autos und man hat ständig Angst, gleich jemanden zu überfahren.

In diesem Gewirr finden wir natürlich keine Wechselstube. Wir entscheiden zum Flughafen zu fahren, der zwar außerhalb auf der anderen Seite der Stadt liegt, aber da sollte es auf jeden Fall Wechselmöglichkeiten geben. Pustekuchen! Als ich durch die Security durch und endlich im Flughafengebäude bin hat die einzige Wechselstube zu – wahrscheinlich weil heute Freitag ist. Wir sind genervt und wissen nicht, wie wir die Nacht bezahlen sollen. Wir fahren zum Hauptbahnhof der Stadt, hier gibt es erst gar keine Wechselstube. Also fahren wir wieder zurück zum anderen Ende der Stadt in einen Park, bei dem wir wissen, dass es Parkplätze gibt. Sie ermöglichen uns in Euro zu bezahlen, so haben wir zumindest einen Schlafplatz. Der Park ist selbst um diese Zeit, es ist mittlerweile ca. 21.30 Uhr, noch rappel-voll. Menschen grillen, essen und trinken, fahren Tretboot auf dem See und überall springen Kinder herum, eine ausgelassene Atmosphäre. Wir entscheiden uns trotzdem gegen einen Spaziergang, wir sind hungrig und müde und ich muss mich erst an das Kopftuch gewöhnen. Eigentlich sollte ich es sogar im Bus aufhaben wenn wir alle Fenster offen haben, aber da es mich so stört machen wir die Jalousien hoch und fallen bald ins Bett.

Am nächsten Tag beginnt das gleiche Spiel. Auf der Suche nach Geld spazieren wir zu einer Bank. Schon auf diesem Weg werden wir das erste Mal von einem iranischen Paar angesprochen, sie sind sehr nett und heißen uns willkommen. Die Bank kann natürlich kein Geld tauschen, empfiehlt uns aber mit der Metro in die Stadt zu fahren. Wie bloß, ohne Geld?! Ein Gefühl, dass wir von zuhause gar nicht mehr kennen... Im Reiseführer steht, dass es in der Innenstadt beim Bazaar offizielle Wechselstuben gibt. Wieder ist die Stadt verstopft und gerade rund um den Bazaar ist es für uns unmöglich, mit dem Bus zu parken. Da wir es uns nicht gleich am zweiten Tag mit der iranischen Polizei verscherzen möchten, beschließen wir wieder an den Flughafen zu fahren. Heute ist kein iranisches Wochenende mehr, heute muss die Wechselstube offen sein. Denkste! Wieder zu, unfassbar. Ich gehe zum Informationsschalter, frage wo wir in der Nähe unser Geld wechseln können. Erst überlegen sie, dann, nach kürzer Rücksprache, empfehlen sie mir ans Ende des Ganges zu einem Café zu gehen, die würden Geld wechseln. Bereits in diesem Moment war mir klar, dass das a) keine offizielle Geldwechselstube sein wird und b) nicht zu unseren Gunsten ausgehen wird.

Im Iran gibt es zwei Währungen, Rial und Toman. Beide sind durch die hohe Inflation fast nichts wert, daher wird überall im Iran der Toman zur Preisangabe genutzt, da dieser eine 0 weniger hat. Für Touristen anfangs sehr verwirrend, da man bei jedem Kauf nochmal x10 rechnen muss.
Zu allem Überfluss gibt es noch einen offiziellen und einen inoffizielle Wechselkurs: der offizielle Wechselkurs, den man auch auf allen offiziellen Seiten findet, ist 1 Euro = knapp 50.000 Rial. Der inoffizielle Wechselkurs, den man nicht nur auf dem Schwarzmarkt, sondern auch in offiziellen Wechselstuben bekommt ist aber 1 Euro = 145.000 – 155.000 Rial – ein riesiger Unterschied! Zum Glück hatte uns unser Fahrrad-Freund David darauf aufmerksam gemacht, weil er in diese Falle getappt war. Wer das nicht weiß hat kurz mal ein Drittel seines Geldes verloren. Das nur als kleiner Exkurs. :)

Am Café angekommen wissen sie gleich was ich möchte. Sie bieten mir für 1 Euro 100.000 Rial an – ich wusste das wird ein schlechtes Geschäft. In meiner Verzweiflung wechsle ich trotzdem zumindest 50 Euro.Wir müssen unbedingt tanken und können sonst nicht bezahlen!

Unglücklich über diesen komplizierten Start fahren wir in Richtung Teheran. Jetzt muss die nächste Hürde genommen werden: Diesel finden. Im Iran fahren nur LKWs mit Diesel, alle PKWs sind Benziner oder fahren mit Gas. Dazu kommt, dass LKW Fahrer Diesel mit Tankkarten bezahlen, die es für Touristen nicht gibt. Wir hatten vorab gelesen, dass manche Tankwarte eigene Tankkarten haben, mit denen man dann tanken kann oder man LKW-Fahrer ansprechen muss. Es gibt einen lokalen Preis für den Sprit und einen Touri-Preis, der meist ca. doppelt so hoch ist (was bei iranischen Dieselpreisen allerdings trotzdem extrem günstig ist). Wir waren auf langes Suchen vorbereitet, aber zum ersten Mal seit Eintritt in den Iran läuft es wie geschmiert. Wir sehen eine Tankstelle, an der nur LKWs stehen, es muss hier also Diesel geben. Der Tankwart schiebt sofort seine Tankkarte rein, wir bezahlen den lokalen Preis – und tanken für 4,50 Euro voll! ;) Um das vorweg zu nehmen: Diesel tanken im Iran war für uns während der gesamten drei Wochen kein Problem. Es ging entgegen vieler Berichte leichter als gedacht und wir haben bis auf ein Mal immer den lokalen Preis bezahlt.

Das Thema Handykarte verschieben wir auf morgen und machen ein bisschen Strecke. Wir essen an einem Rasthof, es gibt die iranischen Standards wie Kebab oder Hähnchen mit Reis und Ash, eine Suppe. Das Essen kostet fast nichts. Als wir auf der Fahrt nochmal anhalten, kommen wir mit der iranischen Gastfreundschaft in Kontakt. Zwei Männer mit Kind fahren auf der Wiese hinter der Leitplanke vorbei. Als sie uns sehen halten sie an, steigen aus und sprechen uns auf Farsi bzw. einem Dialekt an. Wir verstehen natürlich nichts, können uns aber mit wenigen Worten Englisch, Farsi und ganz viel Händen und Füßen unterhalten. Die beiden schenken uns Knollen, die sie gerade eigentlich für sich geerntet hatten und holen Tee, den wir gemeinsam trinken. Dann laden sie uns zu sich nach Hause zum Abendessen und in ihr Dorf ein, das nicht weit weg ist. Wir überlegen kurz, aber da wir noch eine weite Strecke vor uns haben lehnen wir dankend ab.
Die Nacht verbringen wir an einem Rastplatz ca. 130 km vor der Stadt Qazvin, nach Teheran wäre es noch zu weit.
Als wir am nächsten Tag durch Qazvin fahren gilt es das nächste To Do abzuhaken, eine Handykarte bekommen. Leider schicken uns die Handyläden weiter, da sie keine SIM-Karten verkaufen. Der Laden zu dem uns alle schicken hat zu. Also weiter.

Höhen und Tiefen – Erlebnisse in Irans Hauptstadt Teheran

Am Nachmittag kommen wir in Teheran an und der Verkehr toppt den in Täbris nochmal um ein Vielfaches. Da wir kein Internet haben schauen wir auf dem Navi nach Parkplätzen, an denen wir eventuell stehen können. Wir finden einen, doch als wir dort ankommen werden wir zum ersten Mal abgelehnt, der Bus darf hier nicht über Nacht stehen. Netterweise bietet einer der Männer vom Parkplatz uns aber an, ihm hinter her zu fahren, er kenne einen Platz.Wir fahren ihm durch dichten Berufsverkehr nach, kommen kaum voran und haben Mühe an ihm dran zu bleiben, weil sich immer wieder Autos rein drängeln.
Nach 45 Minuten, wir sind sind nur kreuz und quer gefahren, aber nicht viel weiter als davor, hält er am Straßenrand, wir fahren direkt neben ihn. Er drückt mir sein Handy in die Hand: „It's my sister.“ „Ok“, denke ich und frage „Hello, this is Eva?“ ins Telefon. Sie antwortet mir, dass ihr Bruder, der Mann dem wir seit einer dreiviertel Stunde hinterher fahren nicht gut Englisch spreche und daher nicht verstanden haben, was wir suchen. Nicht im Ernst! Es ist so nett von ihm, dass er seine Zeit opfert und mit uns durch die Stadt fährt, aber warum sagt er uns nicht, dass er gar nicht verstanden hat nach was wir suchen? Ich erkläre es ihr am Telefon nochmal und sie gibt es an ihren Bruder weiter. Nach einer weiteren halben Stunde, Jannis ist mehrmals kurz davor an einer Kreuzung einfach andersherum abzubiegen, blinkt er rechts und bedeutet uns, in die Einfahrt eines 5 Sterne Hotels hereinzufahren... Okay, das hat nicht funktioniert. Wir fahren zwar herein damit er weiterfährt, aber können hier natürlich nicht bleiben.
Das ist, wie wir später erfahren, auch eine Eigenschaft der Iraner: sie können nicht nein sagen oder zugeben, dass sie etwas nicht wissen und wollen immer helfen. Die Hilfsbereitschaft ist eigentlich eine wunderbare Eigenschaft und hat uns in den drei Wochen auch immer wieder unglaublich beeindruckt, aber in diesem Moment sind wir einfach nur durch und haben nach 6 Stunden Fahrt durch diese chaotische Stadt immer noch keinen Parkplatz. Die Rezeption im Hotel kann uns leider auch nicht sagen, wo wir eine Handykarte bekommen also bleibt uns nur nochmal ein Blick ins Navi.
Jannis sieht einen größeren Parkplatz an einem Park im Norden Teherans. Als wir dort hinfahren sehen wir schon, dass dieser Teil Teherans der wohlhabendere ist. Der Stellplatz ist tatsächlich geeignet, wir können hier stehen bleiben. Auch hier ist viel los, Menschen spazieren durch die Gegend und überall auf dem Parkplatz sitzen Grüppchen zusammen, die aus Kartons und Holz Lagerfeuer machen. Wir allerdings freuen uns nur noch auf unser Bett.

Am nächsten Tag steht eine Tour durch Teheran auf dem Programm. Wir haben nur einen Tag in der Stadt eingeplant. Das Wetter ist gut und wir spazieren durch die Wohngebiete in Richtung einer Mall. Wir sehen eine Gruppe Jugendlicher leicht versteckt auf einer Wiese sitzen, das Mädel hat ihr Kopftuch komplett runter gezogen. Später sehen wir die gleiche Gruppe in der Straße laufen, das Kopftuch hat sie jetzt wieder auf. Hier könnte sie die Sittenpolizei sehen.
Wir sprechen kurz mit einem jungen Mann mit Rottweiler, der gerade Deutsch lernt und schon ganz gut spricht. Er mag Deutschland sehr, daher auch die deutsche Hunderasse.
Bei der Mall finden wir endlich einen Handykarten-Anbieter. Wir gehen rein, von den Mitarbeitern kann leider kaum jemand Englisch. Das hat uns im Iran überrascht: wir dachten alle Iraner sprechen sicher gut Englisch, da die Ausbildung im Land gut sein soll. Dies ist aber nicht der Fall, da wie wir später von einer Englisch-Lehrerin erfahren, der Englisch-Unterricht in Farsi abgehalten wird und die Schüler nur Grammatik und nicht Sprechen lernen. Alle, die wir kennengelernt haben die gut Englisch sprechen haben dies in zusätzlichem Privatunterricht gelernt, was sich aber natürlich nur wohlhabendere Familien leisten können.

Glücklicherweise ist ein älterer Mann, Nosrat, im Laden, der Vater von einem der Mitarbeiter, der nicht mehr arbeitet und heute seinen Sohn bei der Arbeit besucht. Nosrat hatte vor der Revolution zwei Jahre in USA gearbeitet und spricht daher super Englisch.
Er hilft uns bei der Kommunikation mit den Mitarbeitern, das Ausstellen der Karte dauert allerdings sehr lange. In der Zwischenzeit unterhalten wir uns angeregt mit ihm, da er viel Interessantes zu berichten hat. Er erzählt uns, dass vor der islamischen Revolution 1979 Frauen herumlaufen dürften wie sie wollen und, dass es viele Bierbrauereien und Whisky-Brennereien gab. Wir fragen ihn, wie die Menschen das damals und heute akzeptieren konnten. Er sagt die junge Generation wie sein Sohn kenne es nicht anders und seine Generation hätte sich daran gewöhnt, obwohl wir heraushören, dass es auch ihm nicht gefällt. Später bekommen nämlich auch noch die Imams ihr Fett weg.
Dank ihm und einer netten Mitarbeiterin, die uns die Handykarte mit ihrer Kreditkarte bezahlt, da man dafür ein iranisches Konto braucht (wir geben ihr das Geld danach selbstverständlich wieder) haben wir nach ca. 2 Stunden eine iranische SIM-Karte in der Hand. Nosrat lädt uns auf einen Tee zu sich nach Hause ein, aber da es nun schon relativ spät ist und wir noch die Stadt anschauen wollen lehnen wir dankend ab. Darüber hinaus sind wir uns zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht sicher, wie wir mit diesen Einladungen umgehen sollen, da es im Iran den Taarof gibt. Taarof ist eine besondere Form der Höflichkeit im Iran, die man kennen sollte. Es gehört sich, bei einer Einladung, sei es das Bezahlen einer Rechnung, das Schenken von Gegenständen oder das Einladen nach Hause, erst mindestens drei mal abzulehnen. Erst wenn der Einladende oder Schenkende wirklich insistiert und seine Einladung danach weiterhin ausspricht gilt sie. Hier kann man schnell in ein Fettnäpfchen treten, zum Beispiel wenn ein Iraner aus Höflichkeit sagt, er übernimmt die Rechnung, diese aber eigentlich gar nicht bezahlen kann. Wir haben einige Iraner kennengelernt, die mit dieser Art der Höflichkeit nicht viel anfangen können und sie daher nicht anwenden, genauso haben wir aber erlebt, dass es angewendet wurde. Es ist also Vorsicht geboten. :) Im Nachhinein war es im Fall von Nosrat sicherlich ernst gemeint.

Nosrat bringt uns noch zur Metro und wir fahren für knapp 7 Cent in die Stadt. Gleich auf der ersten Fahrt werden wir von einem Iraner angesprochen, der auch sehr gut Englisch spricht. Er fragt uns ein bisschen aus, seit wann wir hier sind, wie wir den Iran bis jetzt finden, wie wir Trump finden und was in Teheran sehenswert ist. Als er erfährt an welcher Station wir aussteigen wollen sagt er uns, dass die Station noch gesperrt ist (die Teheraner Metro wird gerade ausgebaut, daher sind einige Stationen zu) und sucht nach Alternativen. Andere Iraner schalten sich ein und zu dritt oder viert schauen sie, wie wir am besten und schnellsten dahin kommen, wo wir möchten. Die Hilfsbereitschaft in diesem Land ist einfach unglaublich. Als wir an der Station sind, an der wir jetzt aussteigen müssen steigt einer der jungen Männer mit aus und bringt uns durch die unterirdischen Gänge bis zu der Plattform, an der wir die nächste Metro nehmen müssen. Wir stehen gemeinsam am Gleis als uns ein junger iranischer Student anspricht, Amirreza. Er saß in der ersten Metro neben Jannis und hatte gehört, dass wir Englisch sprechen und als Touristen hier sind. Er erzählt uns, dass er eigentlich aus dem Nordosten des Iran kommt aber für einen Tag in Teheran ist, um einige bürokratische Dinge zu erledigen und jetzt noch ein paar Stunden Zeit hat bis am Abend der Bus zurück in seine Heimatstadt geht. Er würde diese Stunden sehr gerne mit uns verbringen wenn das okay für uns wäre? Wir antworten ihm, dass er gerne Zeit mit uns verbringen „darf“, dass wir vor hatten etwas essen zu gehen und dann ein bisschen die Stadt zu erkunden. Er freut sich und wir ziehen zu dritt los.
Als allererstes aber wechseln wir in einer der offiziellen Stuben 300 Euro und sind danach 43-fache Millionäre! ;) Wir sagen Amir, dass wir gerne etwas Typisches essen würden und er führt uns in ein Chicken Restaurant. Beim Essen fragen wir ihn regelrecht aus. Er sagt uns er sei froh, dass wir so viel wissen möchten und, dass sich Leute dafür interessieren. Er erzählt uns, dass er seine Regierung überhaupt nicht mag und am liebsten irgendwann im Ausland leben würde. Dass er, wie so viele andere, die Verschleierung der Frauen ablehne und selbst im Geheimen eine Freundin habe, von der niemand wissen darf. Einmal wurden die beiden beim Händchen halten im Park von einem Polizisten erwischt. Der Polizist lies sich schmieren, sonst hätte das für die beiden böse Folgen haben können. Amir sagt, dass ihn am meisten die Willkür der Regierung und der Gesetze und Regeln ärgern. Ein kleines Beispiel ist, dass im Iran eigentlich keine Satellitenschüsseln an Wohnungen oder Häusern erlaubt sind, da die Regierung nicht will, dass man internationale Sender empfangen kann. In Teheran hängen aber an vielen Wohnungen Satellitenschüsseln. Verfolgt oder bestraft wird dies wohl gerade nicht. Andererseits werden „sittenwidrige“ Dinge wie Händchen halten, ohne Kopftuch herum laufen oder Alkohol trinken hart verfolgt. Insgesamt herrscht sehr große Willkür, je nachdem auch welche Leute man kennt. Amir ist gut gebildet, spricht super Englisch und hat eine total moderne Einstellung. Viele seiner Freunde haben geheime Freundinnen, Whisky kann er bei sich in der Stadt besorgen und als sie in der Türkei im Urlaub waren haben sie auch getrunken. Viele der Iraner, die wir im Laufe der Reise kennenlernen halten sich im Privaten nicht an die sogenannten „islamischen Gesetze“, trinken Alkohol, beten nicht fünf Mal am Tag, halten Ramadan nicht ein.
Wir laden Amir ein, wir sprechen über Taarof aber auch damit kann er nichts anfangen. Er will zwar erst auch nicht annehmen, aber wir bestehen darauf. Danach machen wir einen schönen Spaziergang durch die Stadt, schauen nichts Spezielles an aber schlendern herum. Da es bereits früher Abend ist haben die Sehenswürdigkeiten zu, und Amir kauft uns drei alkoholfreie Mojito als „Gegen-Geschenk“ zum Mittagessen. Der Tag vergeht so schnell, dass Amir am Ende zu seinem Bus rennen muss, uns aber noch eine ausdrücklich Einladung zu seiner Familie in seine Heimatstadt ausspricht. Er schreibt uns danach noch zwei Mal, wie sehr er sich darüber freuen würde wenn wir kommen und seine Familie kennenlernen. Auch das, so merken wir gleich, ist wirklich ernst gemeint. Seine Stadt liegt zwar nicht direkt auf unsere Route, aber gegen Ende unserer geplanten Reiseroute sind wir in der Gegend und planen es auch ein.

Nachdem Amir weg ist machen wir noch einen kleinen Rundgang über einen Markt und lassen uns in einem Copyshop noch etwas für unser Turkmenistan Visum ausdrucken (wie lange man das schon nicht mehr gemacht hat! ;)) das wir am nächsten Morgen beantragen wollen. Wir fahren mit der Metro zurück und kommen im Dunkeln an unseren Bus. Auch heute sind wieder überall Grüppchen mit Lagerfeuern zu sehen,aber da wir total kaputt und müde von diesem Tag sind gehen wir gleich ins Bett.
Wir sind gerade am Einschlafen, da schreckt Jannis auf: Taschenlampen leuchten durch die Windschutzscheibe in unser Auto. Ein paar Sekunden später klopft es, jetzt sind wir beide hellwach. Jannis ist gerade dabei aufzustehen und sich ein Hemd über zu ziehen, da rüttelt schon jemand an unserer Tür: „Police, Police!“ Scheiße.
Jannis macht langsam die Tür auf, da stürmt der erste Polizist mit seiner Taschenlampe in den Bus, rennt nach hinten zum Bett und leuchtet mir mitten ins Gesicht: „Get up, Get up!!!“ Ich sage ihm auf Englisch, dass ich jetzt gerade nicht aufstehen kann, weil ich beim Schlafen normalerweise nicht genug anhabe um die iranische Kleidungsordnung zu befolgen. Er versteht mich nicht und ich versuche es ihm mit einem Handzeichen zu erklären, da schreit er wieder: „Get up!! What are you doing here!?“ Wieder zeige ich auf meine Kleidung, aber er versteht nichts und ist richtig aggressiv. Jannis versucht ihn wieder nach vorne zu holen, fragt ihn was das Problem sei und probiert ihm zu erklären, dass das ein Camper ist, dass wir verheiratet sind und hier im Bus geschlafen haben. Er steigt aus dem Bus und Jannis folgt ihm, dann zieht der Polizist Jannis zur Seite und macht ihm unmissverständlich und in sehr vulgären Worten klar, wer hier der Boss ist.
Der zweite Polizist ist jünger, eigentlich ganz ruhig und muss sogar ab und zu lachen, was in dieser Situation allerdings nicht hilft, weil wir beide überhaupt nicht verstehen was hier gerade passiert. Ich habe mich in der Zwischenzeit angezogen, zittere am ganzen Körper und laufe nach vorne. Sofort werde ich wieder weg geschickt. Ich sehe und höre zu, wie Jannis draußen mit den Polizisten verhandelt und sicher zum zehnten Mal wiederholt, was wir hier machen und, dass wir verheiratet sind. Ich höre etwas von police station und ahne Böses. Der jüngere Polizist zeigt Jannis sein Handy, auf Google Translate steht „Did you have sex?“. Jannis verneint vehement und erklärt nochmal, dass wir von einem anstrengenden Sightseeing Tag zurück kamen und bereits geschlafen haben. Zum Glück kommt ein junges Pärchen dazu, dass gegenüber in einem Auto auf dem Parkplatz sitzt. Sie spricht sehr gut Englisch und übersetzt für die Polizisten, was Jannis ihnen erklärt. Es geht hin und her, erst ist die Stimmung noch total aufgebracht, dann wird es irgendwann ruhiger und nach weiteren paar Minuten scheinen die Polizisten endlich zu verstehen. Sie schauen uns an und sagen nur noch „Relax, Relax, all ok, Relax!“ Sehr witzig...! Sie fahren auf ihren Motorrädern davon und wir bleiben mit Schock in den Knochen zurück.
Wir wissen jetzt, dass dies die Sittenpolizei war. Ob jemand sie gerufen hat oder sie einfach so gekommen sind wissen wir nicht sicher, anscheinend hatte der Security des Parkplatzes sie gerufen. Das Pärchen spricht noch mit uns und versucht uns zu beruhigen, dass jetzt alles in Ordnung sei und sie nicht wiederkommen werden. Im Iran seien die Regeln bei so etwas einfach verrückt, allerdings nicht wenn man verheiratet ist und bei Touristen sind sie eigentlich eh lockerer. Sie empfehlen uns für die Nacht näher am Security Posten zu stehen und wollen der Parkplatz-Security darüber Bescheid geben. Wie immer einfach super nette, hilfsbereite und besorgte Iraner die wir da kennengelernt haben. Als sie gehen atmen wir erst einmal tief durch. Das wird sicher eine unruhige Nacht. Was, wenn uns das im Iran jetzt immer so geht...?
Nach kurzer Zeit klopft es wieder an den Bus, das darf nicht wahr sein. Doch es sind nur die beiden nochmal. Sie haben einen Anwalt angerufen der bestätigt, dass man im Iran so im Auto übernachten darf und, dass das ein privater Ort ist. Später kommen sie sogar nochmal wieder. Ein Freund der beiden ist am Telefon, ein Deutscher der seit vielen Jahren im Iran lebt. Wir sollen mit ihm sprechen. Er richtet uns aus, dass wir doch bei dem Mann des Pärchens im Fitnessstudio übernachten sollen diese Nacht, da wären wir sicherer als hier auf dem Parkplatz. Das ist sehr nett von ihm, aber wir lehnen ab. Wir wollen gerne im Bus bleiben und fühlen uns hier auch sicher, stellen uns aber neben den Security-Posten.

Wie erwartet wird die Nacht unruhig und wir wachen mehrmals auf. Da wir das Turkmenistan Visum heute Vormittag beantragen müssen, müssen wir sowieso früh raus. Wir frühstücken noch und beobachten, wie ein Iraner mit Personal Coach neben unserem Bus Sportübungen macht und sogar, wie Frauen bei dem Park mit Kopftuch Sport treiben.
Bei der Beantragung des Visums läuft alles glatt und so fahren wir gegen Mittag raus aus Teheran auf dem Weg nach Qom. Die Strecke führt durch wunderschöne Mohnfelder, in denen viele Iraner picknicken und Fotos machen. Wir wissen nicht ob die Vegetation in dieser Zeit des Jahres hier immer so ist oder nur durch die vielen Regenfälle in den Wochen davor. Der Iran wurde von heftigen, ungewöhnlich starken Regenfällen heimgesucht, die einige Teile des Landes überschwemmt und Menschenleben gekostet haben.

Einführung in die religiöse Welt des Iran - Jamkaran

Wir fahren an einem kleinen Salzsee vorbei und genießen es, nicht mehr in dieser chaotischen Stadt zu sein. Am frühen Nachmittag kommen wir in Qom an, der Stadt mit dem zweit wichtigsten Heiligtum Irans. Der Unterschied zwischen Teheran und Qom ist krass: während in Teheran auch viele modern gekleidete Frauen herumlaufen und das Kopftuch bei manchen immer tiefer rutscht, laufen hier alle Frauen komplett in schwarz verhüllt herum, man sieht eigentlich keine „normale“ Kleidung. Die Stadt ist insgesamt sehr konservativ.
Nach unserer Erfahrung der letzten Nacht haben wir eigentlich keine Lust in einer Stadt zu übernachten. Wir sind unschlüssig wo wir hinfahren sollen, aber da wir wissen das David, unser Fahrrad-Freund gleich auch in die Stadt einradelt beschließen wir zu warten und ihn zu treffen. Das Wiedersehen ist sehr fröhlich und wir unterhalten uns erst einmal ewig am Straßenrand. Er hat auch keine große Lust in Qom zu bleiben also fahren wir raus aus der Stadt nach Jamkaran, einen Vorort mit einer riesigen Moschee-Anlage mit angrenzendem Park.
Wir dürfen am Park auf den Parkplätzen parken und fragen den Security des Parks, ob wir auch wirklich im Auto schlafen dürfen. Sicher ist sicher und alle sind sehr nett. Der Park ist schon voll mit Zelten von Iranern da, wie wir später erfahren, zwei Tage später der Geburtstag des Propheten Mahdi ist, ein Prophet, der erst noch auf der Erde erscheinen soll und dort dann alles Unheil besiegt. Also muss David sein Zelt auf dem Asphaltboden neben dem Kiosk aufstellen, aber besser als nichts. Vom Kioskbesitzer bekommen wir sogar noch ein Eis geschenkt.
Wir gehen in einem kleinen Restaurant etwas essen. Ohne Fleisch gibt es nichts, daher bleibt es für mich wieder bei Reis mit Joghurt. Als sich zwei Jungen mit uns unterhalten möchten, schickt der Besitzer des Restaurants sie rabiat fort, es wird sogar etwas handgreiflich da er vermutet, dass sie uns bedrängen (was sie aber definitiv nicht tun). Nach dem Essen kaufe ich noch eine Milch für unser geplantes Pfannkuchen-Frühstück am nächsten Tag ein und als Jannis nicht gleich mit dem Geld in Sichtweite ist bietet mir ein Iraner an die Milch zu bezahlen. Das war ein eindeutiger Taarof Fall, da der Mann sichtlich erleichtert ist als ich ablehne. Wir laufen zurück zum Park, machen es uns auf einer Steinmauer gemütlich und trinken 0,0% alkoholfreies Light- und Lemon Beer. Es macht Spaß das rege Treiben im Park zu beobachten, selbst um 24 Uhr spielen die Kinder noch fröhlich und als wir am nächsten Morgen aufwachen sind viele der Zelte noch da. Die Parks im Iran haben meist eine gute Infrastruktur mit Toiletten, Spülmöglichkeiten, Kiosks und Wasserzapfsäulen.

Wie angekündigt gibt es heute Pfannkuchen-Frühstück für uns drei. Ich starte die Produktion, backe einen nach dem anderen bei offener Türe im Bus aus. Ich bemerke, dass ein Paar aus einem Zelt gegenüber mich interessiert beobachtet. Nach einer Weile kommt die Frau herüber. Sie spricht kein Wort Englisch, hätte aber gerne das Pfannkuchen-Rezept. Mit Hilfe unseres Wörterbuches, einer Translator App und dem Zeigen von Verpackungen schreiben wir ein Rezept auf Farsi, der iranischen Sprache zusammen. Ich schenke ihr und ihrem Mann zum Probieren zwei Pfannkuchen, ich hoffe sie haben geschmeckt. :)
Jannis wird danach von Polizisten angesprochen, sie sind super nett und laden uns zu dem Geburtstagsfest ein paar Tage später offiziell ein. Es sind eben nicht alle so wie die Polizisten in Teheran.
Nach dem Frühstück und vor der Weiterfahrt nach Kerman, einem Ort in der Wüste Dasht-e Kavir möchten wir uns noch die riesige Moschee von Jamkaran anschauen.
Sehr viele gläubige Pilger kommen hierher um zu beten. Wir hatten gehört und gelesen, dass nur Muslime bis in den Innenbereich der Moschee dürfen.
Heute, kurz vor dem wichtigen Feiertag ist viel los. Jannis und David laufen, nachdem sie die Kameras abgeben müssen zum Männereingang, ich zum Fraueneingang. Ich bekomme einen Tschador umgewickelt, ein langes Gewand, das Kopf und Körper bedeckt. Die iranischen Frauen tragen diesen meist in schwarz, ich bekomme einen schönen bunten, die Frauen helfen mir beim Binden. Eine Frau mit kleinem Sohn spricht mich an. Sie fragt mich, wie wir auf diesen Ort gekommen sind und ob ich Christin bin. Danach fragt sie, ob sie mich hier herumführen und mir etwas über diesen für sie besonderen Ort erzählen darf. Das nehme ich gerne an und nachdem wir Jannis und David wiedergefunden haben geht es los. Wir fahren mit einem elektrischen Wagen Richtung Eingang der Moschee. Jannis und David gehen auch jetzt wieder zum Männereingang, ich zu den Frauen. Meine Begleiterin geht zu einem Schalter und bespricht etwas, nach ein paar Minuten ist sie wieder zurück. Wir gehen gemeinsam rein. Ich zupfe immer wieder an meinem Gewand herum, schwitze sehr darunter. Meine Begleiterin zieht es mir zurecht, ist sehr lieb und sagt ich solle mich entspannen. Wir setzen uns auf den Teppich und unterhalten uns ein wenig. Sie fragt ob wir Kinder haben, erzählt mir, dass sie Englisch-Lehrerin ist. Nach ein paar Minuten sehe ich eine offizielle Mitarbeiterin ankommen. Sie diskutiert eine Weile mit meiner Begleiterin, ich denke mir schon, dass es wahrscheinlich ein Problem gibt. Sie sagt mir, dass sie ihre oberste Chefin angerufen habe um sich nochmal zu vergewissern, dass ich wirklich hier sein darf, aber ich darf es nicht: nur Muslime dürfen sich hier aufhalten. Meine Begleiterin entschuldigt sich mehrmals, sie verstehe nicht, dass nicht alle Leute die an Gott glauben hier sein dürfen und das dies entgegen ihres Verständnisses von iranischer Gastfreundschaft sei. Ich beruhige sie und sage, dass es überhaupt kein Problem ist, ist ja nicht ihre Schuld. Und ganz unglücklich darüber bin ich gar nicht, da ich vermute, dass Jannis und David schon draußen auf mich warten. Als wir herauskommen erzählen mir die beiden, dass sie überhaupt gar keine Probleme hatten in die Moschee zu kommen und sogar noch Süßigkeiten geschenkt bekommen haben. So ist das. ;)
Mit unserer Begleiterin und ihrem Sohn gehen wir dann noch in das offizielle Tourist Pilgrim Office der Moschee, bekommen dort ein Gastgeschenk und sprechen noch länger über den Iran. Sie ist sehr religiös und sagt der Tschador wäre dafür da, die Frauen vor den Männerblicken zu schützen. Später erfahren wir von jemand anderem, dass man die wirklich religiösen Frauen daran erkennen kann, ob sie geschminkt sind oder nicht. Sie schenkt mir eine Anstecknadel um den Tschador zu binden und küsst mich mehrmals auf die Wange. Wir bedanken uns sehr herzlich bei ihr für die Führung und starten nach diesem Eintauchen in die religiöse Welt des Islam in Richtung Wüste.

So, das war's mit dem ersten Teil, der zweite Teil des Iran Reiseberichts kommt bald. :)

Teil 2:

Panne in der Wüste – Dasht-e Kavir

Ich wusste natürlich vorher, dass ich mich „verhüllen“ muss: Kopftuch, allerdings nicht streng gebunden, und immer ein Mantel oder ein Jäckchen, das über den Hintern geht und nicht eng anliegt. Trotzdem nervt es mich mehr als gedacht. Obwohl ich mich in Deutschland nicht als Feministin bezeichnen würde werde ich es hier. Es schränkt ein, ist an heißen Tagen einfach nur warm und man kann sich nicht so kleiden, wie man das gerne möchte. Gerade beim Campen, wo man sehr viel draußen ist, die Bustüren oft offen hat und zwischen innerem Wohnraum und außen wechselt ist es anstrengend, immer darauf zu achten, dass man konform gekleidet ist. Männer haben dieses Problem nicht. Kurze Hosen dürfen sie zwar auch nicht tragen, aber das dürfen Frauen auch nicht und Männer können zumindest in kurzen Shirts herum laufen. Manchmal ist es wirklich so, dass man lieber drinnen bleibt, nur um das Kopftuch nicht anziehen zu müssen. Klar, man gewöhnt sich über die Wochen ein bisschen daran. Aber noch viel mehr wird einem klar, wie unfassbar gut wir es in Deutschland und Europa in dieser Beziehung haben. Jeder darf bei uns herum laufen wie er möchte, nach was er/sie sich fühlt, dem Wetter angepasst. Nie wieder möchte ich jemanden lästern hören über abgefuckte Punks oder fülligere Frauen in engen Leggins. Es ist grandios, dass wir genau diese Freiheit haben! Ich habe das zwar schon immer wertgeschätzt, aber jetzt habe ich am eigenen Leib gespürt wie wertvoll das ist und wie viel mehr Lebensqualität und vor allem Freiheit einem es gibt, wenn es keinen vorgeschriebenen Dresscode gibt! Denkt daran, wenn ihr das nächste Mal Nase rümpfend einem für euch schlecht gekleideten Menschen nachschaut. ;)
Und noch dazu finden wir es äußerst komisch, was für ein Bild von Männern dadurch entsteht. Männer, die sich nicht zurückhalten können, die so von ihren Trieben gesteuert sind, dass sie bei jedem zu eng anliegenden Kleidungsstück gleich aufspringen? Das Ganze wird doch genau dadurch verstärkt, dass man die Frau zu einem Objekt der Begierde macht, das versteckt wird und geschützt werden muss, das in der Metro einen eigenen Abteil bekommt, dass man ihr ja nicht zu nahe kommt und neben der man nicht sitzen sollte, um sie nicht vielleicht doch zu berühren... Und wer gibt das alles vor? Alte Männer, die am Hebel sitzen. Die müssen es ja wissen. Geht es ihnen etwa so? Das Tollste ist dann noch, dass jeder sexuelle Kontakt hier verpönt ist, das höchste der Gefühle, das größte Ziel es aber für die Ultrareligiösen ist, als Märtyrer ins Paradies mit Hunderten von Jungfrauen zu kommen. Ich würde sagen: übersexualisiert!

Aber zurück zur Geschichte. Auf den Autofahrten ziehe ich das Kopftuch öfter mal runter. Die vorbei fahrenden Autos können das so schnell gar nicht wahrnehmen oder etwas machen und in manchen Autos sieht man auch Iranerinnen ohne. Trotzdem habe ich es immer umgehängt und überall da wo viele Autos und Menschen sind ziehe ich es auf. Immerhin müssen die Iranerinnen das auch jeden Tag ertragen, für uns Touristinnen dagegen ist es nur auf Zeit und wir sind freiwillig in dieses Land gekommen – ein sehr großer Unterschied.
Später erfahren wir, dass die iranische Polizei über Kameras in Touristenbusse schaut, um zu kontrollieren ob die Touristinnen auch im Bus ihr Kopftuch tragen und angeschnallt sind (dazu muss man sagen, dass im Iran so gut wie niemand angeschnallt ist). Man fragt sich, ob die Polizei hier nichts Besseres zu tun hat.

Mit an Bord haben wir ab sofort und für die nächsten Tage David. Da er zwei Mal ein kürzeres Visum als geplant bekommen hat, schafft er seine Route Richtung Turkmenistan nicht durch Fahrrad fahren alleine. Wir hatten ihm angeboten, in ein paar Tage mitzunehmen und nach ein bißchen überlegen hat er zugeschlagen. Also packen wir sein Fahrrad inklusive Gepäcktaschen zu unseren in den Kofferraum und fahren zu dritt durch die Lande. Unser Bus ist wirklich ein Raumwunder! :)
Als wir in Kashan, der Stadt von der aus wir in die Wüste Dasht-e Kavir fahren wollen, ankommen schauen wir uns eine sehr schöne Moschee-Anlage an, die sehr an Bilder aus Usbekistan erinnert – wir können uns also schon auf das übernächste Land freuen. Bei der großen Hitze haben wir allerdings keine Lust weiter Sightseeing zu machen und freuen uns schon auf die Stille der Wüste. Wir brauchen nur noch ein paar Lebensmittel, um in der Wüste ein schönes BBQ machen zu können und los kann es gehen. Wir halten an einem kleinen Gemüseladen und kaufen ein. Als wir fragen, wo es hier Fleisch und Brot zu kaufen gibt schaltet sich ein sehr netter Mann ein. Sofort will er uns helfen, wir sollen ihm nach fahren. Er führt uns zu einem Supermarkt, in dem wir finden was wir suchen. Er bleibt die ganze Zeit dabei, hilft den Jungs an gutes Fleisch zu kommen und uns zu verstehen, was was ist. Als wir im Supermarkt fertig sind, sollen wir ihm wieder nach fahren, er führt uns zum „Eingang“ der Wüste. Auf dem Weg dorthin halten wir noch zwei Mal, beide Male springt er heraus, rennt zu einem Laden, fragt etwas und kommt wieder. Wir vermuten, dass er für uns fragt wo es Spieße für das Fleisch gibt, damit wir davon noch welche kaufen können, doch vom dritten Laden kommt er mit Zitronen zurück, überreicht uns diese und sagt: „For you, just put a little over your meat and it will be perfect. But not too much!“ Wie unglaublich nett sind diese Iraner!! Natürlich will er kein Geld von uns dafür annehmen, er will einfach nur, dass es uns richtig gut geht.
Als wir zu der Straße gelangen, die uns zu dem von uns anvisierten Salzsee in der Wüste führt, kommt ein Polizist aus seiner Pforte. Er sagt, wir dürften nicht ohne Guide hier reinfahren. „It is forbidden, because it is the law.“ Oh no. Wir probieren zu erklären, dass wir keinen Guide wollen sondern alleine fahren, aber die Sprachbarriere ist mal wieder zu groß. Zum Glück ist unser iranischer Helfer bei uns. Er regelt alles und nach ein paar Minuten Diskussion hat er abgeklärt, dass wir alleine fahren können. Wir sollen nur einem Wagen hinterherfahren, der mit Guide in die Wüste fährt, dann ist es für den Polizisten ok. Der nette Iraner sagt uns noch, dass wir dem Guide in dem Auto vor uns bitte auf keinen Fall Geld geben sollen, falls dieser für's Hinterherfahren was von uns verlangen sollte. Er möchte uns davor bewahren, abgezockt zu werden.

Das ist es, was das Reisen im Iran so schön und angenehm macht. Die Menschen sind aufrichtig freundlich und von Herzen hilfsbereit. Sie wollen für dich sorgen und, dass es dir an nichts fehlt. Das alles ist intrinsisch motiviert und für mich der große Unterschied zu Ländern wie beispielsweise Indien. In Indien ist man immer auf Habachtstellung. Zu oft erlebt man, dass Menschen einem helfen und dann die Hand aufhalten. Selbst wenn man gar nicht nach Hilfe gefragt hat. Ständig wird man abgezockt oder muss sich mit Taxifahrern herumstreiten, die einen doch noch über's Ohr hauen wollen, obwohl ein fester Preis ausgemacht war. Im Iran: das genaue Gegenteil. Die Menschen wollen dein Geld nicht, sie wollen dir das geben, was sie können. Sie erwarten keine Entschädigung für ihre Hilfe, auch wenn wir immer gewillt waren, ihnen eine zu geben. Wo wir am Anfang noch zusammen gezuckt sind, wenn ein Iraner ankam und mit uns sprechen oder uns helfen wollte, weil wir dachten „irgendwas will der doch sicher von uns“, wurden wir im Laufe der Reise immer entspannter und überhaupt nicht mehr misstrauisch. Ein super schönes Gefühl dank einmaliger Menschen.

Wieder abgeschweift... Wir dürfen also alleine fahren, los geht’s. Das Auto vor uns sehen wir schon nach kurzer Zeit nicht mehr. Die Piste ist sandig aber zum Glück so hart, dass wir keine Probleme haben durchzukommen. Um uns herum die Salzwüste Kavir, die relativ flach ist, sandig mit kleinen grünen Büschen. Nach einer Weile sehen wir freilaufende Kamele, eine kleine Herde. Wir halten an und laufen näher an sie heran. Ein Iraner auf einem kleinen Motorrad kommt angefahren, erst denken wir er könnte uns vielleicht weg scheuen wollen. Doch er fährt zu den Kamelen und möchte, dass wir sie streicheln. Wir wissen bis jetzt nicht ob es seine waren oder nicht und wollen die Tiere auch nicht unbedingt streicheln, aber er besteht darauf. Wir machen ein, zwei Fotos und gehen wieder, sehen auf der Strecke aber noch einige Kamele mehr.
Halt machen wir bei der Karawanserei Maranjab, die bei dem Salzsee liegt. Eine Karawanserei wurde zu Zeiten der Seidenstraße als Rastplatz genutzt, an dem sich Mensch und Tier ausruhen und stärken sowie ihre Vorräte auffüllen konnten. Wir parken, um uns zu Fuß einen geeigneten Schlaf- und Grillplatz zu suchen. Wir brauchen etwas Windgeschütztes, da der Wüstenwind heute Abend stark bläst. Wir wollen gerade loslaufen, da bemerkt Jannis eine nasse Spur unter unserem Bus. Als er daran riecht der Schock: Diesel! Jannis wird selten schnell nervös, doch man merkt sofort, dass es überhaupt kein gutes Zeichen ist, wenn mitten in der Wüste Diesel aus dem Motorraum fließt. Im ersten Moment wollen wir einfach aus dieser Situation fliehen, doch das ist unmöglich in dem Zustand. Jetzt erst mal cool bleiben. Mit Hilfe einer Taschenlampe schaut Jannis sich den Motorraum genau an. Nach ein paar Minuten entspannt er sich, es könnte ein Leck zwischen Wassersensor und Dieselfilter sein. Und welches ist das einzige Ersatzteil, das wir auf dieser Reise dabei haben? Ein Dieselfilter.
Wir parken den Bus so, dass wir als Windschatten für ein Lagerfeuer und David's Zelt fungieren und Jannis macht sich an die Arbeit. Bei Sonnenuntergang wechselt er mitten in der Wüste den Filter und siehe da: es war tatsächlich ein gebrochener Wassersensor der irgendwie durch die Vibrationen beschädigt wurde. Der Abend ist gerettet! Ohne den Wassersensor bekommen wir jetzt zwar immer eine Warnmeldung, aber mit der müssen wir leben. Software meckert, Mechanik läuft! ;)
Wir machen ein Lagerfeuer und verspeisen ein Festmahl aus Salaten, gegrilltem Gemüse und dem extra für die Jungs vom Metzger im Supermarkt zubereiteten, marinierten Fleisch. Da grillen in der Wüste doch etwas anders läuft als im Schönbuch ist alles mit einer leichten Sandnote gewürzt, was aber dem leckeren Essen kaum einen Abbruch tut. Die Stille hier ist total schön, besonders nach den quirligen Städten und nächtlichen Imam-Rufen. Eine kleine Gruppe Iraner grillt nicht weit von uns hinter einem Hügel und als wir gerade fertig sind mit essen kommen zwei von ihnen rüber und bringen uns von ihren selbstgemachten Fleischspießen. Wo würde einem in Deutschland so etwas passieren? Und auch wir hatten nicht daran gedacht, zu den Jungs rüber zu gehen und ihnen etwas von unserem Essen zu geben, sie probieren zu lassen. Was für eine schöne Geste, und laut Jannis und David sehr lecker noch dazu!
Als wir langsam ins Bett gehen möchten und Jannis das Feuer eindämmen will indem er den Windschutz entfernt, macht er plötzlich einen großen Satz nach vorne: ein schwarzer Skorpion sitzt direkt unter dem Windschutz! Auch er erschreckt sich und rennt davon. Die Skorpione hier in der Wüste sind, so sind wir uns mittlerweile ziemlich sicher, sehr giftig. Ich springe in den Bus, die Jungs machen noch ein paar Fotos. Danach verbringen wir eine windige, aber ruhige Nacht.

Zum Sonnenaufgang wachen wir zwar auf, aber da wir schon vom Bus aus sehen, dass es sich nicht wirklich lohnt bleiben wir liegen. Das Frühstück ist geplagt von tausenden Fliegen und fällt daher kurz aus. Als es ans Abbauen von David's Zelt geht vermuten wir schon, dass es sich ein Skorpion hier auch gut drunter hätte gemütlich machen können und tatsächlich hebt Jannis die Plane hoch und ein Skorpion sitzt direkt vor ihm. Puh! Die sind schon echt beängstigend.
Auf dem Weg zurück schauen wir uns noch kurz den Salzsee an, der allerdings hinter unseren Erwartungen zurückbleibt.

Der zweitgrößte Platz der Welt und unser erster offizieller Schlafgast – Isfahan

Unser nächstes Ziel ist die Stadt Isfahan. Als Zwischenstopp halten wir in dem laut Reiseführer und einigen Berichten ursprünglichen Dorf Abyaneh, das sehr malerisch in einem Felsen liegt. Sowohl Häuser als auch Felsen schimmern rötlich, was den Anblick von weitem sehr schön macht. Das Dorf selbst ist allerdings total touristisch und wirkt fast wie ein Schaudorf, außer Touris sind nur ein paar Stände mit Verkäufern vor Ort. Nach dem Mittagessen fahren wir also direkt weiter und kommen am Nachmittag in Isfahan an. Überaus stolz stellen wir drei fest, dass wir endlich mal im Hellen an unserem Tagesziel ankommen und uns so gemütlich unseren Schlafplatz einrichten können. Typischer Fall von zu früh gefreut! Isfahan bietet einen Tourist Camping Park an, den wir in der vollen Gewissheit hier übernachten zu können auch ansteuern. Doch leider dürfen aus unerfindlichen Gründen keine ausländischen Touristen mehr in diesem Tourist Camp schlafen. (Als wir zum zweiten Mal an diesem sehr langen Abend vor der Schranke stehen und darauf bestehen hier übernachten zu dürfen heißt es, ein paar holländische Touristen hätten zwei Wochen zuvor hier ziemlichen Unfug getrieben - was genau haben wir nicht verstanden, aber bei den iranischen Regeln könnte es auch etwas für uns Belangloses gewesen sein. Deswegen seien jetzt nur noch Iraner erlaubt). Ich will euch nicht mit den folgenden Stunden langweilen, kurz zusammengefasst: in der Stadt ist die Hölle los weil Wochenende, mit dem Bus unmöglich auch nur irgendwo zu parken, wir sind so verzweifelt, dass wir bereit sind im Hotel zu übernachten, alle Hotels der Stadt angerufen, alle ausgebucht, wir ohne Plan...
Wir haben so einen Bären-Hunger und wissen eh nicht wohin, also gehen wir erst einmal essen. Wir finden ein großes Restaurant mit typisch iranischen „Glaskabinen“, in denen man auf Sitzkissen sitzt/liegt und isst. Ziemlich fertig liegen wir da, essen lecker und beschließen, einfach hier zu fragen ob wir vor dem Restaurant campen dürfen; das Restaurant hat nämlich einen sehr großen Parkplatz. Zum Glück haben sie nichts dagegen, der Security zeigt uns sogar noch wo wir am besten stehen sollen, da wir hier überwacht und daher sicher sind. Schon ein lustiges Bild, wie David's Zelt, angebunden an unseren Bus vor ein Graffiti-Wand neben einer Hauptstraße steht – aber wir können gut schlafen!
Am nächsten Morgen fahren wir in einen Park etwas außerhalb am anderen Ende der Stadt, der auf dem Navi nach einer guten Möglichkeit für die nächste Nacht aussieht. Tatsächlich ist der Park sehr schön, direkt vor einem Aussichtsberg gelegen. Als wir ankommen stehen drei italienische Camper hier, ein sehr gutes Zeichen. Zwar darf David sein Zelt hier nicht aufschlagen, aber da er wie er sagt überall schlafen kann quartieren wir ihn kurzer Hand für eine Nacht bei uns ein: er schläft in dieser Nacht in unserem „Flur“ zwischen Esstisch und Küche. Schon die zweite Nacht, die David bei uns verbringt, dieses Mal allerdings geplant. ;)
Wir richten uns kurz ein und gehen dann gemütlich in einem kleinen Kaffee im Park frühstücken. Da wir die Karte nicht verstehen (sie ist nur auf Farsi), hilft uns netterweise ein Iraner, der am Nachbartisch mit ein paar Freunden sitzt. Das Frühstück ist lecker und wir machen es uns hier für die nächsten zwei Stunden gemütlich. Als die Gruppe Iraner geht, sprechen wir noch kurz. Auch diese jungen Leute erzählen uns, wie sehr sie ihre Regierung hassen. Sie sei Lucifer, der Teufel. Krass, das solche Sätze nach zwei Minuten fallen. Da sieht man wie sehr die Iraner darunter leiden.
Als die Gruppe schon weg ist geschieht mal wieder etwas Unglaubliches. Nach kurzer Zeit kommt der Iraner wieder, läuft an uns vorbei und sagt „I will pay for your breakfast.“, als hätte er das eben vergessen. Wir fallen fast vom Stuhl und sagen ihm, dass das nicht in Frage kommt und wir das nicht wollen. Zu spät: er ist schon beim Barmann und bezahlt unser komplettes Frühstück! Wo gibt es sowas?! Uns ist das Ganze natürlich sehr unangenehm, besonders weil wir wissen, dass die Inflation den Iranern sehr zu schaffen macht...
Nach dem Frühstück fahren wir mit dem Taxi in die Stadt zum zweitgrößten Platz der Welt, dem Naqsch-e Dschahan Platz. Der Platz ist wirklich wunderschön! Jede Seite hat ein tolles Gebäude: auf der einen Seite der Ali Qapu Palast, auf der zweiten Seite die beeindruckende Königsmoschee, auf der dritten die Lotfollah Moschee und auf der vierten Seite ein großer Basar. Früher wurde auf dem Platz auch Polo gespielt, heute ist er sehr schön bepflanzt, in der Mitte ist ein Wasserspiel, überall sind Bänke und Liegewiesen. Auf dem Platz herrscht wildes Treiben, rund um den Platz bieten Läden Allerlei feil. Wir verbringen schöne Stunden hier, werden wieder von sehr vielen Iranern angesprochen und sogar gefilmt. Viele möchten Fotos mit uns machen, manche möchten ihr Englisch mit uns üben, die meisten möchten mit uns über den Iran sprechen. Einer ruft uns von weitem zu: „We are not terrorists!“ und man merkt mal wieder, wie tief die Angst sitzt, von Ausländern nur als solche betrachtet zu werden und wie groß das Bedürfnis ist, dieses Bild aus der Welt zu schaffen. Die Iraner wissen wie die westlichen Medien über ihr Land berichten, wollen so aber verständlicherweise nicht gesehen werden.

Nach dem Platz schlendern wir gemütlich durch die Stadt, sehen alte T1 VW-Busse die zu Cafés umgebaut wurden. In Isfahan gibt es außerdem zwei sehr schöne Brücken, die wir auf jeden Fall sehen wollen. Die eine schauen wir uns noch vor dem Abendessen an und genießen ein kühles, alkoholfreies Bier am Fluss. Durch die vielen Regenfälle vor ein paar Wochen führt der Fluss seit langer Zeit mal wieder Wasser, was den Anblick noch schöner macht.
Wir entscheiden uns heute für Fast Food, da wir alle Lust auf Pizza haben. Allerdings merken wir schnell, dass die Pizza nicht unbedingt das ist, was wir kennen. Pizza wird hier ohne Tomatensoße zubereitet, dafür wird nachher Ketchup darüber gemacht. Wir hätten beide nie gedacht, dass wir mal freiwillig Pizza mit Ketchup essen würden, aber ohne wäre es einfach zu trocken.
Nach dem Essen fahren wir zur zweiten, noch imposanteren Brücke. Zum Glück ist Wochenende und alles ist voller Leben. Unter der Brücke hat sich eine riesige Traube von Menschen angesammelt, alle singen und klatschen gemeinsam, eine tolle Stimmung. Wir setzen uns neben die Brücke, die sich im Fluss spiegelt, auf den Treppen vor der Brücke sitzen überall Menschen. Ich komme mit zwei iranischen Pärchen ins Gespräch, die mir etwas von ihren Snacks anbieten. Als wir uns eine Weile unterhalten fragt der eine, Ali, mich, ob ich Shisha, hier Hookah mag. Ich bejahe und zwei Sekunden später stehen zwei Hookahs vor uns, die er gerade bei einem Verkäufer geholt hat. Geschmack: Orange-Nana Minze. Lecker! Wir setzen uns alle zusammen, Jannis und David sind mittlerweile auch fertig mit Fotos machen und kommen dazu. Wieder geht es sehr viel um den Iran und die Einschränkungen, die die Iraner haben. Die beiden Mädels sagen, dass sie das Kopftuch tragen überhaupt nicht mögen und es privat nie tragen. Sie zeigen mir Bilder von Ausflügen in die Berge, auf denen sie ohne Kopftuch zu sehen sind. Selbst auf ihren Hochzeitsbildern tragen sie keinen Schleier. Sie erzählen uns, dass sie bei sich zuhause Whisky und selbst gemachten Wein haben und an Wochenenden mit Freunden trinken. Sie gehen auch nicht in die Moschee zum Beten. Beide Paare sind verheiratet, die einen waren sogar schon offiziell ein Paar bevor sie geheiratet haben, da ihre Familien moderner eingestellt sind. Nur zusammen gewohnt haben sie vor der Hochzeit nicht. Krass ist, dass im Iran Männer und Frauen nicht zusammen baden dürfen, was heißt, dass Iraner auf Hochzeitsreise am Meer Badetage getrennt verbringen müssen. Unvorstellbar!
Es ist so nett mit den vier, dass sie uns zu sich nach Hause einladen. Es ist zwar schon kurz vor 23 Uhr und sie müssen morgen arbeiten, aber sie möchten unbedingt, dass wir mitkommen. Wir fühlen uns sehr wohl mit ihnen und möchten gerne noch genauer sehen, wie die Iraner wohnen, also nehmen wir die Einladung gerne an. Ali begleitet uns im Taxi, damit wir den Weg finden, die anderen drei fahren mit dem Auto. Wir halten auf dem Weg nochmal an, Ali springt raus und kommt nach 5 Minuten mit einer großen Tüte aus dem Supermarkt. Natürlich dürfen wir die Taxifahrt nicht bezahlen.
Die Wohnung der beiden ist groß und für iranische Verhältnisse modern, im typischen iranischen Einrichtungsstil gehalten: prunkvoll und etwas kitschig, mit Samtsofas, die wie immer im Iran mit Plastik überzogen sind, Kronleuchtern, viel Silber und den obligatorischen Perser-Teppichen. Die beiden scheinen auf jeden Fall etwas Geld zu haben, da die Wohnung hochwertig eingerichtet ist und Zahra, Ali's Frau nicht arbeitet. Im Iran studieren und arbeiten nämlich sehr viele Frauen, es gibt viele weibliche Ärztinnen, Rechtsanwältinnen,...
Zahra hat ihr Kopftuch abgenommen. Das alleine zeigt schon, dass sie sehr modern eingestellt ist, da Frauen sonst im Beisein von fremden Männern selbst in ihrer eigenen Wohnung das Kopftuch nicht abnehmen. Was man auch in dieser Wohnung sieht sind die zugezogenen Gardinen. Jedes Haus, dass wir im Iran gesehen haben hat die Vorhänge immer zu, damit man sich im Inneren frei und ohne Kleiderordnung bewegen kann. Was für uns beklemmend ist, ist hier ein Muss.
Wir setzen uns hin und bekommen, auch das typisch iranisch, schwarzen Tee und eine riesige Platte voller frischem Obst und Gemüse – sehr lecker! Den selbstgemachten Wein trinken wir an diesem Abend leider nicht. Das andere Pärchen ist mittlerweile auch angekommen und hat noch seine Schwester mitgebracht, eine Psychologie-Studentin. Sie ist sehr interessiert an unserem Eindruck vom Iran und fragt uns auch viel über unsere Kultur aus. Man merkt, dass sie aus einer traditionelleren Familie kommt als Ali und Zahra, die schon vor ihrer Hochzeit zusammen sein dürften. Sie erklärt uns, dass traditionell im Iran die Mütter die Ehepartner wählen. Die eine Mutter ruft die andere an, dann treffen sie sich. Wenn die beiden sich gut verstehen (und nur dann ;)) beschließen sie, dass das Paar heiraten darf. Die Familie des Mannes besucht dann die Familie der Frau und wenn auch das Paar selbst einverstanden ist, ist die Verlobung besiegelt. Danach gibt es eine Verlobungsfeier, dann die offizielle Hochzeit (religiös), dann das Fest. Die Eltern des Mannes zahlen die komplette Feier inklusive Brautkleid und Ring, die Eltern der Frau zahlen die Einrichtung der Wohnung. Iranische Hochzeiten sind riesig (ca. 600 Gäste), auf Brautkleid, Schmuck und Ehering wird viel wert gelegt.
Wir reden auch über Möglichkeiten für Iraner nach Deutschland zu kommen und über die Ressourcen unserer Länder. Es ist ein schöner und interessanter Abend und erst gegen 3 Uhr morgens (wie gesagt, die Iraner müssen am nächsten Morgen arbeiten!) brechen wir auf. Die beiden bieten uns an bei ihnen zu übernachten aber wir wollen gerne zurück zum Bus.
Wir wollen ein Taxi bestellen, aber Ali hindert uns daran, er möchte uns unbedingt fahren – das sind 15km hin und wieder zurück! Er bleibt hartnäckig und uns ist es langsam wirklich unangenehm. Zahra begleitet uns auch und so verabschieden wir uns am Parkplatz sehr herzlich von ihnen. Wirklich ein toller Abend!

Wie in 1001 Nacht – Yazd

Wir können am nächsten Morgen ausschlafen und machen uns danach auf den Weg nach Yazd. Yazd ist eine wunderschöne Wüstenstadt. Wir kommen am frühen Nachmittag bei großer Hitze an, suchen für David ein Hotel und steuern für uns einen Parkplatz vor einem Hotel an, von dem wir wissen, dass man dort umsonst parken und sogar noch Dusche, WC und Wifi des Hotels mitnutzen darf. Als wir zu diesem Parkplatz kommen kriegen wir einen kleinen Kulturschock. Der komplette Parkplatz steht voller Camper! Einer größer und spezieller als der andere, die meisten aus Deutschland, aber auch Franzosen und Rumänen sind dabei. Wo kommen die denn auf einmal alle her? Verrückt, weil wir auf unserer bisherigen Reise kaum Camper gesehen haben. Wir finden zum Glück noch ein Plätzchen für unseren im Verhältnis „kleinen“ Bus.
Wir kommen mit den ein oder anderen ins Gespräch, die meisten sind für länger unterwegs, einige haben Kinder dabei. Ein paar von ihnen werden wir in den nächsten Wochen immer wieder treffen. Auf dem Parkplatz lernen wir auch eine Schweizer Familie kennen, die mit ihrer 13-jährigen Tochter für ein Jahr unterwegs sind. Wir beschließen kurzerhand zusammen essen zu gehen. David's Hotel ist direkt um die Ecke und hat eine tolle Dachterrasse, perfekt für ein schönes Abendessen unter Sternenhimmel bei warmem Wüstenwind. Das Essen schmeckt richtig toll, mit Abstand das beste Essen, das wir im Iran bis jetzt hatten. Bisher sind wir eher enttäuscht gewesen vom Essen, es gibt oft das Gleiche (Kebab oder Chicken mit Reis) und nicht unbedingt speziell gewürzt. Aber hier schmeckt es richtig gut. Es gibt tolle vegetarische und nicht-vegetarische Gerichte, die Gewürze sind eine Mischung aus indisch und iranisch. Um es vorwegzunehmen, wir machen das, was wir sonst nie machen: wir gehen in Yazd jeden Abend (und jeden Morgen) in dieses eine Restaurant essen und jedes Mal ist es absolut lecker. Dazu kommt, dass die Dachterrasse grandiose Blicke über die Stadt gibt, die mit ihren Lehmbauten und vielen bunten Kuppeln und Windtürmen einfach toll aussieht. Vom Sonnenuntergang ganz zu schweigen.

Am nächsten Tag machen wir einen ganz gemütlichen Rundgang durch die Stadt, treffen noch zwei Bekannte von David, mit denen er einige Tage durch den Iran geradelt ist. Überall sind kleine Gässchen, wir besteigen einige Dachterrassen und die Atmosphäre in der Stadt ist sehr gemütlich. An diesem Tag ist der Geburtstag des Imam Mahdi und überall werden Blumen, Süßigkeiten und sonstige Kleinigkeiten verschenkt. Vor der Hauptmoschee werden Stühle und eine kleine Bühne aufgebaut, am Abend findet hier eine religiöse Veranstaltung statt. Das Feuerwerk zu Ehren des Imam sehen wir allerdings wieder von unserer Lieblings-Dachterrasse aus. An diesem Abend sitzen wir neben David und den beiden Radfahrern auch noch mit einem anderen Deutschen und einer Dänin am Tisch. Yazd wirkt von allen Orten bisher am touristischsten, weil die Stadt nicht so weitläufig ist. Andererseits kommen wir jetzt auch immer mehr „in die Saison“, das heißt es sind auch mehr „Urlaubsreisende“ und Reisegruppen unterwegs.

David reist am nächsten Morgen ab, wir beide bleiben noch einen Tag um ein paar Dinge zu erledigen und mal wieder einen ruhigen Tag zu machen. Mittlerweile kennen wir die Besitzer des Hotels/Restaurants schon gut und wir dürfen auf den Taptschans (iranische Liegebetten) im Innenhof des Hotels sitzen und Reisebericht schreiben bzw. Fotos sortieren. Es ist jetzt Ostern in Deutschland, das im Iran natürlich nicht gefeiert wird. Abends essen wir nochmal mit der Schweizer Family und einem deutschen Paar, das mit einem großen MAN-Truck unterwegs ist.

Beeindruckende Ruinen, aber genug von Sightseeing – Persepolis und Shiraz


Am nächsten Tag geht es für uns dann weiter in Richtung Shiraz, noch etwas weiter südlich. Als wir  an einem kleinen Supermarkt anhalten um noch etwas Wasser zu kaufen werden wir spontan zu einer Tasse Kaffee und Gepäck in der Bar nebenan eingeladen, dass wir natürlich nicht ablehnen. Hier schaffen wir es am Ende sogar, wenigstens einen Geldschein an den Mann zu bringen
Wir fahren bis Persepolis, was nur wenige Kilometer vor Shiraz liegt. Persepolis ist eine sehenswerte Ruinenstadt, die in der Zeit von Darius I. erbaut wurde. Die Ruinen sind teilweise noch sehr gut erhalten, besonders die Gravuren und Steinarbeiten sind sehr beeindruckend und klar erkennbar. Vieles in dieser Region ist noch nicht ausgegraben oder aufgebaut, aber leider hat die Regierung weitere Arbeiten hier gestoppt. Offiziell weil sie auch der nächsten Generation noch Ausgrabungen überlassen will, inoffiziell weil sie kein Interesse an der Geschichte vor der islamischen Ära haben....
Wir verbringen die Nacht auf dem Parkplatz vor den Ruinen und werden am nächsten Tag von Karaoke-Gesängen eines iranischen Reisebusses geweckt, der einige Meter neben uns auf dem Parkplatz angekommen ist. Die Iraner kochen und singen und die Stimmung ist sehr fröhlich.
Am Mittag kommen wir in Shiraz an. Hier fahren wir den ersten Campingplatz-artigen Stellplatz an. Wir kommen mit einer Reisegruppe von Wikingerreisen bestehend aus Deutschen, Österreichern und Schweizern ins Gespräch, die hier im Hotel wohnen und großes Interesse an unserem Bus und unserer Reise haben. Kurzerhand nehmen sie uns in ihrem Reisebus mit in die Stadt. So bekommen wir auch mal mit wie es ist, in so einer Gruppe zu reisen. ;) Nach der Besichtigung einer Moschee, in der ich am Eingang einen Tschador bekomme und die innen geschmückt ist mit tausenden Spiegelmosaiken (das hatten wir so bisher noch gar nicht gesehen), trennen sich unsere Wege aber schon wieder. Wir schlendern weiter durch die Stadt, essen sehr lecker in einem Art Café und besichtigen die schönen Parks und Gebäude der Stadt. Besonders der Basar hier ist toll. Als wir uns kurz orientieren müssen werden wir von einem Iraner angesprochen, der sehr gut Deutsch, bzw. Norddeutsch spricht. Er erzählt uns, dass er einige Jahre in Hamburg studiert hat, dann aber seine Mutter krank wurde und er zurück in den Iran musste, ohne sein Studium abgeschlossen zu haben. Jetzt ist sie auch dement und er muss sich im Iran mit Gelegenheitsjobs durchschlagen. Ein anderer, älterer Mann spricht uns später an, auch er spricht etwas Deutsch. Er hat länger in Deutschland gelebt und gearbeitet, seine Kinder leben immer noch in Frankfurt. Er möchte uns ein für Shiraz typisches Eis kaufen, dass aus wie Spaghetti aussehenden Schnüren mit Rosenwasser besteht. Wir lehnen ab, am nächsten Tag probieren wir es allerdings doch noch und es ist sehr gewöhnungsbedürftig. Mit viel Limettensaft drüber geht es. ;)
Obwohl wir noch nicht „alles“ gesehen haben fahren wir zurück zum Bus. Es ist schon relativ spät, manches hat schon zu und der Overload an Städtebesichtigungen reicht uns jetzt auch. Mit dem Taxifahrer sprechen wir über die wirtschaftliche Situation des Landes, besonders die sehr hohe Inflation und die hohe Arbeitslosigkeit (gerade bei jungen Leuten) macht den Menschen sehr zu schaffen. Er hat studiert, findet aber keinen Job und muss sich mit Taxi fahren über Wasser halten. Auch er macht die Regierung dafür verantwortlich. Es ist wirklich traurig, was das Land seinen Leuten antut. Das haben die Iraner definitiv nicht verdient.
Eigentlich wollen wir noch etwas kochen, aber wir fallen müde und erschöpft um 20.15 Uhr (!) ins Bett. Das ist neuer Rekord!

Am nächsten Tag fahren wir nur zum Essen nochmal kurz in die Stadt, die Lust noch etwas anzuschauen ist aber noch nicht zurück und so fahren wir weiter.
Unterhalb von Shiraz liegt der Maharloo Salzsee mit pink schimmerndem Wasser. Spontan entscheiden wir, den Rest des Tages und die Nacht hier zu verbringen. In der Natur stehen tut gut nach den ganzen Städten. Viele Iraner verbringen hier ihre Zeit, picknicken oder fahren Tretboot. Der See sieht sowohl bei Tageslicht, aber besonders im Abendlicht wirklich schön aus und die Salzkristalle sieht man ganz deutlich. Auch hier schenkt uns eine iranische Familie wieder etwas, ein kleines Mädchen kommt herüber und bringt uns Datteln bevor sie abfahren, von zwei Männern mit denen wir uns noch kurz am nächsten Morgen unterhalten bekommen wir Äpfel geschenkt.

Die „Stille“ der Wüste – Beeindruckende Dasht-e Lut


Die Stadt Kerman ist heute unser Tagesziel, unser Tor zur Wüste Lut. Durch die großen Entfernungen (der Iran ist mehr als viermal so groß wie Deutschland) verbringen wir den Großteil des Tages im Auto. Am frühen Abend kommen wir in Kerman an, übernachten auf dem Parkplatz eines Hotels und essen dort auch zu Abend. Für morgen steht ein Trip in die Wüste auf dem Programm und der Hotelbesitzer kennt sich gut aus und kann uns Tipps geben. Das Problem ist nämlich, dass durch die Überschwemmungen vor ein paar Wochen Straßen in der Wüste zerstört wurden. Manche wurden komplett von einem Fluss unterspült. Daher können wir nicht, wie eigentlich geplant, einmal durch die Wüste fahren, sondern kommen nur bis zu einem bestimmten Punkt. Zum Glück ist das, was wir auf jeden Fall sehen wollen aber machbar und so fahren wir am nächsten Tag gleich morgens los.
Wir kaufen noch Proviant für die nächsten Tage und ein paar Stunden später stehen wir mitten in der Wüste. Alleine die Fahrt dorthin ist schon sehr schön, manches sieht fast surreal aus und wir fahren durch eine Oase, durch die Wasser fließt und in der wunderschöne Blumen und unendlich viele Palmen wachsen. Schon ein verrücktes Phänomen, diese Oasen.
Stehen bleiben tun wir aber an den Kaluts, für die die Lut-Wüste so bekannt ist – sie zählt zu den schönsten Wüsten der Welt. Die Kaluts sind über die Jahre geformte, skurrile Sand- und Steinformationen, die überall in der Wüste verteilt stehen. Manche dieser Kaluts kann man hochklettern, was einen tollen Blick über die Landschaft ermöglicht. In anderen Teile der Lut-Wüste, durch die wir leider nicht fahren können, gibt es meterhohe Sanddünen, in wieder anderen Teilen sieht man erodierte Gebirge. Die Lut-Wüste ist durch ihre unglaubliche Hitze sehr lebensfeindlich, nicht mal Skorpione leben hier. In dieser Wüste wurde die heißeste Stelle der Erde gemessen mit knapp 70 Grad Celsius!
Wir finden es toll hier und beschließen uns für zwei Nächte neben eine der Kaluts zu stellen. Der Platz ist etwas erhöht und wir haben einen wunderbaren Blick über die von Kaluts durchzogene Wüstenlandschaft. Es tut so gut, hier mitten im Nichts zu stehen! Wir freuen uns auf die Ruhe und die wunderschönen Sternenhimmel.

Leider haben wir uns einen sehr beliebten Platz ausgesucht. Einige Zeit vor dem Sonnenuntergang kommen immer mehr Leute, einige iranische Freundesgruppen und viele Touristen. Alle wollen den Sonnenuntergang von hier schauen, man kann es ihnen leider nicht verübeln. Allerdings haben die iranischen Gruppen anderes im Sinn, sie machen laute Musik in ihren Autos an, driften über den Sand und feiern ziemlich laut mit grellen Scheinwerfern. So hatten wir uns die Ruhe in der Wüste nicht vorgestellt. Aber sie genießen es, hier „in Freiheit“ zu sein, was dadurch offensichtlich wird, dass die Mädels ihre Kopftücher abziehen und auch sonst anders gekleidet sind, die Männer sich zum Teil kurze Hosen anziehen und die Frauen später sogar mit den Männern tanzen. Auch das kann man ihnen kaum verübeln.
Der Sternenhimmel ist an diesem Abend wirklich grandios. Irgendwann rückt die eine Gruppe ab und es wird ruhiger. Wir genießen den Rest des Abends und machen es uns dann gemütlich.

Der nächste Tag bringt über 37 Grad im Schatten und wir chillen den ganzen Tag. Zu dieser Zeit ist niemand hier und wir haben gefühlt die ganze Wüste für uns allein. Gegen Nachmittag zieht es ein wenig zu und heute kommen viel weniger Leute. Am Abend treffen zwei französische Brüder mit ihren Fahrrädern ein. Wir verbringen den Sonnenuntergang gemeinsam ganz oben auf einer der Kaluts. Zum Glück waren wir schon gestern hier, denn heute sieht man durch die vielen Wolken kaum Sterne.
Da wir es am ersten Morgen nicht geschafft haben zum Sonnenaufgang aufzustehen (immerhin haben wir kurz den Kopf gehoben und durch unsere Bus-Fenster geschaut ;)) stehen wir heute ganz früh auf und sind nur knapp zu spät für den Sonnenaufgang oben auf der Kalut. Sehr schön ist es trotzdem.

Unverhofft kommt oft - Kerman

Nach dem Frühstück geht es vorbei an in allen möglichen Farben schimmernden Bergen zurück nach Kerman. Wir müssen an dem Hotel noch unsere Wäsche abholen und wollen die Nacht nochmal hier bleiben, bevor wir uns zu unserer letzten Station, Mashhad aufmachen, die 1000km entfernt ist. Zur gleichen Zeit wie wir fährt ein 74-jähriger Hamburger auf den Hotelparkplatz und anstatt uns die Stadt anzuschauen verbringen wir den ganzen restlichen Tag Kaffee trinkend (mit Milchschaum von seinem Aufschäumer) und über die Welt philosophierend mit ihm vor unserem Bus. Seit 10 Jahren reist er jedes Jahr bis zu 6 Monate um die Welt, davor war er Unternehmer. Er hatte damals an der großen Demonstration gegen den Staatsbesuch des damaligen Schah von Iran teilgenommen, bei der Benno Ohnesorg erschossen wurde. Damals war natürlich noch nicht klar, was für eine Regierung danach folgen sollte...
Abends gehen wir in die Stadt, wollen erst noch kurz etwas einkaufen und dann essen gehen. Wir suchen in dem Laden nach etwas, als uns ein junger Iraner anspricht ob er uns helfen kann. Jannis und er kommen ins Gespräch (unter anderem darüber, dass er ein deutsches Handball Trikot von Hummel/Sparkasse anhat) und Jannis fragt ihn nach einem Restaurant Tipp. Wie hätte es auch anders sein können, anstatt uns „nur“ eine Empfehlung zu geben will er mit uns essen gehen und hat auch schon eine Idee wohin. Eigentlich wollten wir heute Abend nur schnell um die Ecke etwas essen und dann zurück zum Bus weil ich mich nicht gut fühle, aber er besteht darauf, dass wir mit ihm mitkommen: „Trust me!“ sagt er. Wir steigen in sein Auto ein und auf dem Weg ruft er seine Frau an. Wir verstehen nur irgendetwas mit „Tourists“, aber kurze Zeit später stehen wir vor seinem Haus. Er hatte seiner Frau Bescheid gesagt, dass er im Supermarkt zwei Touristen kennengelernt hat und sie beide jetzt mit uns essen gehen. Eigentlich wollte er ins Fitnessstudio, war daher auch im kompletten Sportoutfit. Kurze Zeit später kommt seine Frau top gestylt aus der Tür, auch eine sehr moderne iranische Frau. Er geht sich auch noch schnell umziehen (so lässt seine Frau ihn nicht in ein Restaurant) und dann fahren wir zu viert los. Seine Frau, Naroofe, ist total nett und beide sprechen super Englisch. Naroofe hat studiert und ist eigentlich Übersetzerin, aber wie der Taxifahrer in Shiraz findet auch sie keinen Job in ihrem Bereich. Daher arbeitet sie jetzt im Fitnessstudio, gibt Jumping Fitness Kurse und ist Personal Trainer. In einem reinen Frauen-Fitnessstudio versteht sich, in dem die Frauen herumlaufen können wie sie möchten, sich sogar aufstylen um hier hin zu kommen. Kein Kopftuch, knappe Kleidung. Ihr Mann studiert gerade noch, Elektrotechnik. Die beiden sind seit 3 Jahren verheiratet. Man sieht den beiden an, dass sie sehr modern eingestellt sind. Während wir fahren, zieht Naroofe ihr Kopftuch einmal nach. Sie erzählt mir, dass es seit gestern eine neue Regelung im Land gibt. Der Staat schaut über Kameras, die überall an den Straßen angebracht sind in die Autos. Hat eine Frau ihr Kopftuch nicht (richtig) auf, wird sie per SMS auf ihr Handy verwarnt. Passiert dies ein zweites Mal droht ein hohes Bußgeld. Jannis und ich fallen fast vom Stuhl als wir das hören. Die Regierung merkt wohl, dass ihr die Gesellschaft langsam durch die Hände gleitet und als Lösung sehen sie nur noch härteres Vorgehen. Wie lange sich das wohl noch halten kann...? Naroofe ist auch sehr aktiv auf Instagram, wie viele Iraner übrigens. Auch hier wird gerade diskutiert, ob es wie Facebook oder Twitter verboten werden soll. Fakt ist, dass die allermeisten Iraner sich sowieso über VPN-Zugänge in diese Seiten einloggen, da kann der Staat nichts machen. Ist sowieso lächerlich, denn der Regierungschef selbst nutzt Twitter. Wirklich perfide das Ganze. Bezeichnend ist auch die Aussage der beiden zu ihrem Kinderwunsch. Sie hätten gerne Kinder, aber nicht im Iran. Wenn sie hier bleiben wollen sie keine Kinder, wenn sie ins Ausland gehen schon. Sein Bruder lebt bereits mit seiner Frau in Kanada, ihr Cousin ist jetzt zum Studieren nach Hannover gezogen.
Essen gehen wir in dem Restaurant eines Freundes, das vor drei Tagen neu eröffnet hat. Das Essen ist sehr lecker und der Chef selbst mit seiner Frau setzen sich zu uns. Zwischenzeitlich ist auch ihr Kind und die Mutter der Frau mit dabei.
Diesmal besprechen Jannis und ich schon vorher, dass wir auf jeden Fall bezahlen und Jannis einfach irgendwann unauffällig vom Tisch aufstehen wird, um diese tollen Menschen einzuladen. Das Restaurant ist zweistöckig, wir sitzen oben, die Kasse ist unten. Als Jannis aufsteht und die Treppen runtergeht, fragt mich unser Begleiter sofort, wo er hin möchte. Ich antworte etwas schwammig, aber als ich merke, dass er nervös wird sage ich Jannis geht auf's WC. Sofort will er aufstehen und sagt, das WC sei aber hier oben. Ich bitte ihn abzuwarten, „you will see“, da ruft es schon von unten hoch vom Restaurantbesitzer, dass Jannis gerade versucht zu bezahlen. Zur gleichen Zeit unten hält einer der Mitarbeiter Jannis vom Zahlen ab, er hält ihn fest und nimmt sein Geld partout nicht an. Naroofe und ihr Mann erlauben es uns nicht zu bezahlen, wir haben absolut keine Chance. Selbst als wir ihnen zeigen, dass wir noch so viele Rials übrig haben und in wenigen Tagen nach Turkmenistan fahren, das Geld also ausgeben müssen willigen sie nicht ein. Oh man!
Wir haben in knapp über drei Wochen im Iran unter 300 Euro (für beide!) ausgegeben und das obwohl wir sehr viel gefahren sind, oft essen waren und auch sonst an nichts gespart haben. Einfach krass! Und für die Iraner selbst ist besonders in den letzten Monaten alles so viel teurer geworden, ihr Geld ist immer weniger wert. Deswegen können auch die beiden eigentlich nur innerhalb vom Iran in den Urlaub fahren.
Der Abend ist wirklich super nett, zum Glück haben wir ihm vertraut! Wir machen noch mit der ganzen Restaurantfamilie Fotos, dann bringen die beiden uns zu unserem Bus, den sie sich noch anschauen.

Der heiligste Ort Irans und ein tanzender Jannis - Mashhad


Der nächste Tag wird wie angekündigt ein reiner Fahrtag. Wir übernachten auf der Strecke in einem Park und kommen am nächsten Mittag in Mashhad im Nordosten des Irans an. Wir finden einen schönen Parkplatz in einem Park und treffen dort drei der Camper von dem Parkplatz in Yazd wieder. Sie alle wollen in den nächsten Tagen nach Turkmenistan weiter.
Wir wollen die nächsten zwei Tage hier verbringen. Am ersten Tag holen wir unser Turkmenistan Visum ab und besichtigen den heiligsten Ort im Iran, den Imam Reza Schrein. Der Schrein ist eine riesige Moschee-Anlage inklusive Bibliothek, Festsaal und Museum. Muslimische Pilger von in und außerhalb des Iran kommen hierher um zu beten. Touristen dürfen rein, allerdings nicht bis ins Innerste der Moschee. Alles ist sehr prunkvoll. Man bekommt umsonst einen Guide an die Hand, der einem alles zeigt und erklärt, was wirklich cool ist.
Natürlich darf ich hier nur mit Ganzkörper-Tschador rein, den ich am Fraueneingang bekomme. Ich sehe aus wie ein riesiges buntes Gummibärchen und fühle mich ziemlich beschissen. Erstens ist es unter dem Teil unfassbar heiß (draußen sind über 30 Grad), zweitens rutscht es trotz Gummiband um den Kopf immer und zieht nach hinten und drittens, und das ist das Schlimmste, fühlt man sich wie ein Nichts! Man ist nicht man selbst, es ist demütigend. So unfrei habe ich mich glaube ich noch nie gefühlt. Und dann sieht man alle Männer normal herumlaufen, das macht es noch schlimmer.
Zu Beginn der Guided Tour sitzen wir in einem Raum, ein Geistlicher berichtet von seiner Sicht der Dinge und ein Film über die Anlage wird gezeigt. Das zusammen mit meiner Kleidungssituation veranlasst mich fast dazu, Jannis zu schnappen und zu gehen. Aber wir halten durch, hören und schauen uns alles an. Mit dem Geistlichen fangen wir noch eine Diskussion über die Kleiderordnung an, weil mich ehrlich interessiert, warum diese Kopftuch- bzw. Verhüllungs-Pflicht für Frauen im Iran besteht, was der religiöse Hintergrund ist. Weil so steht das im Koran nicht. Wir beide müssen aufpassen, aus der Diskussion nicht einen Streit mit dem Mann anzufangen, da seine Sicht auf die Dinge für uns so weit weg und nicht nachvollziehbar ist, dass weiter darüber zu sprechen keinen Sinn gemacht hätte. Um all das hier nieder zu schreiben fehlt mir ehrlich gesagt die Lust, nur ein Beispiel: der Vergleich der Wahl des Ehepartners mit dem Kauf von Schuhen oder der Wahl eines Reiseziels, alles rein praktisch. Wer es genau wissen möchte kann uns sehr gerne darauf ansprechen wenn wir wieder da sind. ;)
Abends gehen wir typisch iranisches Fast Food essen: Pizza mit Ketchup, Kebab mit Pommes. An der Wand des Restaurants: ein riesiger Homer Simpson mit Fast Food und Coca Cola in der Hand. In der Ecke: ein Coca Cola Automat. Das ist wirklich verrückt: die US-Sanktionen betreffen alle Bereiche des Lebens im Iran. Mit der riesigen Ausnahme Coca-Cola/Pepsi! Das ganze Land trinkt diese Brause, sonst gibt es meist nur Wasser oder Tee.
Nach dem Fast Food essen wir noch ein Eis und da wir am Abend vorher schon mal da waren bekommen wir vom Chef nach unserem normalen Eis noch einen großen Becher des „leckeren“ Rosenwasser-Spaghettieises auf's Haus.
Als wir im Dunkeln zurück am Bus ankommen lernen wir eine kleine iranische Familie kennen, Mahmood mit seiner Frau und zwei Kindern. Sie spielen vor unserem Bus Volleyball, der liebste Freizeitsport der Iraner. Auch sie sind unglaublich freundlich, zeigen uns tolle Bilder aus Teilen vom Iran in denen wir nicht waren. Für den nächsten Morgen sind wir bei ihnen zum Frühstück eingeladen, aber da wir erstens endlich mal wieder ausschlafen und zweitens viel erledigen wollen, machen wir aus, dass wir uns nochmal bei ihnen melden und sie eventuell außerhalb der Stadt bei einem Picknick treffen – morgen ist iranisches Wochenende und sie fahren auf jeden Fall an einen Spot in den Bergen.
Der nächste Tag wird allerdings anders als erwartet. Zwar schaffen wir es morgens noch den Bus aufzuräumen und ich auch ein wenig zu schreiben, aber rund um unseren Bus ist viel los an diesem freien Tag. Irgendwann beginnt Jannis mit ein paar jungen Iraner/innen Volleyball zu spielen. Sie wollen, dass ich auch dazu komme also ziehe ich mich entsprechend an und spiele auch mit. Nach und nach kommen immer mehr Familienmitglieder dazu, irgendwann kommt die Mutter mit einer Trommel. Wir packen unsere Campingstühle aus, platzieren sie darauf und sie beginnt zu spielen. Da sind wir wirklich an eine total verrückte, sehr coole iranische Familie geraten. Erst zeigen sie uns Videos von heimischen Familienparties, in denen der Vater verkleidet tanzt, jetzt kommt die komplette Großfamilie vor unserem Bus zusammen, trommelt, singt, klatscht und tanzt! Natürlich tanzen nur die Männer, sie tanzen aber sehr gut und ziehen sofort Jannis mit „auf die Bühne“. Immer mehr Menschen, Schaulustige sozusagen, kommen an, stehen vor, hinter und um unseren Bus herum, manche schauen auch von weiter weg zu. Die Trommeln sind den Iranern zu leise, auch unsere Musikbox reicht nicht aus, da wird ein Auto hergeholt und die Musik schallt aus den offenen Türen. Jannis wird immer wieder dazu geholt, er muss/darf mittanzen, sie zeigen ihm wie's geht. Noch nie, so sagt er, hat er am helllichten Tag und nüchtern vor so vielen Menschen getanzt. ;)
Es ist ein riesiger Spaß, die Stimmung ist so ausgelassen und der Nachmittag vergeht wie im Flug.
Als die Meute beginnt sich aufzulösen steht auf einmal Mahmood, der Familienvater von gestern Abend vor unserem Bus. Sie haben an ihrem Picknick-Platz außerhalb der Stadt eine riesige Tüte voll Lauchzwiebeln für uns geerntet und uns hierher gebracht. Sie haben vor ihrem Auto eine Decke ausgebreitet und laden uns nun zu Tee und Essen zu sich herüber ein. Nach einer Weile kommt noch ein weiterer Iraner dazu, auch er möchte uns von seinem Tee probieren lassen, der in einer speziellen russischen Kanne gemacht ist und wirklich köstlich schmeckt. Die Iraner laden ihn und seine Familie auch mit ein und so sitzen wir alle noch viele Stunden bis spät abends hier zusammen. Wir holen die Skateboards und die vier Kids sausen damit umher, wir sprechen viel mit Mahmood, der am besten Englisch spricht, über seine Reisen in die Nachbarländer des Iran und den Krieg.
Wieder laden sie uns für den nächsten Morgen zu sich zum Frühstück ein und obwohl wir eigentlich schon früh zur Grenze fahren wollen sagen wir zu. Diese Menschen sind so nett, wir möchten gerne Zeit mit ihnen verbringen und sehen wie sie leben.
Um 7.15 Uhr am nächsten Morgen sind wir bei ihnen. Sie leben in einer gemütlichen Wohnung in der Stadt, Mahmood hat eine eigene kleine Motorradwerkstatt. Wir frühstücken Tee, Kaffee, Trockenobst, Brot und Käse und verbringen eine sehr schöne Zeit. Wir bringen ihnen ein gerahmtes Foto vom Vorabend mit, zumindest als kleines Dankeschön für ihre unglaubliche Gastfreundschaft.
Viel später als geplant kommen wir los, müssen allerdings noch unseren Bus waschen lassen, da dies in Turkmenistan vorgeschrieben ist. Mahmood hilft uns natürlich auch hier und die Jungs von der Autowäscherei sind sehr gründlich – selbst auf's Dach steigen sie um es sauber zu machen.
Bevor wir das Land der Öl und Gasreserven verlassen, will Jannis nochmal die Gasflasche vollmachen und so halten wir an einem größeren Hof in dem viele Gasflaschen stehen. Beim Öffnen der Bustüren strömt einem schon der Geruch von „frischem“ Gas in die Nase und nach dem Betankungsvorgang wundert man sich eigentlich warum man noch lebt, spätestens nachdem ein Mitarbeiter die vollen Gasflaschen zur Beladung auf den LKW durch den Hof tritt (siehe Bild).
Von einer kopfüber stehenden Gasflasche läuft das flüssige Gas in unsere Flasche bis es oben raus tropft, was in Deutschland einer Überfüllung von 8 Litern entsprechen würde....

Der Weg zur Grenze ist nicht mehr so weit, auf dem Weg halten wir aber nochmal an um unsere Reste aufzuessen. Als wir auf die Grenze zufahren ist es 16.15 Uhr. Wir fahren durch einen offenen, unbesetzten Kontrollposten, weiter bis uns ein Militärauto entgegen kommt. Er hält uns an: „What are you doing here?“ Wir: „We want to pass the border to Turkmenistan.“ Er: „No, border closed.“ Wir: „What!?“ Dank Verständigungsproblemen stellt sich erst nach ein paar Minuten heraus, dass die Grenze bereits zu hat, sie schließt um 16 Uhr, was wir natürlich nicht wussten! Sch*****!
Auch ein Anruf bei einem anderen Beamten hilft nichts, er lässt uns nicht durch, wir müssen umdrehen. Das gibt es nicht! Laut unseren Informationen müssen wir an dem von uns vorher gewählten Tag nach Turkmenistan einreisen – und der ist heute. Turkmenistan soll in dieser Beziehung sehr streng sein. Es bleibt nichts anderes übrig, wir müssen umdrehen. Leicht verzweifelt überlegen wir was wir jetzt machen, schließlich kommen meine Eltern uns ein paar Tage später in Usbekistan besuchen. Ändern können wir die Situation in diesem Moment allerdings nicht. Jannis checkt nochmal unser Turkmenistan Visum, da steht „Valid from 4.5. to 8.5.“. Das hieße wir können in diesem Zeitraum, also nicht zwingend am 4. Mai einreisen. Ein Anruf bei der turkmenischen Botschaft in Mashhad bringt dann die Erleichterung. Wir können ohne Probleme auch morgen einreisen, haben dann zwar nur vier Tage für den Transit durch's Land, aber das reicht auf jeden Fall.
Wir suchen uns ein sehr schönes Plätzchen in der Natur, nutzen die neu gewonnene Zeit und die letzten GB Internet für Reisebericht und Fotos und nehmen uns vor, morgen ganz früh an der Grenze zu sein.

Unser Fazit dieser spannenden Reise durch den Iran


Der Iran ist ein kontroverses Land mit unglaublich vielen Facetten. Hier zu reisen macht Spaß, kann manchmal aber auch anstrengend sein. Die Leute sind einmalig in ihrer Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft und Gastfreundschaft. Wir haben uns zu jeder Zeit wohl, sicher und gut aufgehoben gefühlt. Der Iran ist definitiv eine Reise wert, weil man Dinge erlebt, sieht und hört, die man nirgendwo sonst erfährt. Trotz allem würden wir niemals hier wohnen wollen. Um es in den Worten von David zu sagen: „Alles was Spaß macht ist hier verboten.“
Viele Iraner leiden unter ihrer Regierung, können aber weder abhauen noch viel dagegen tun, weil sie Angst vor unglaublichen Strafen oder sogar dem Tod haben. Daher ist es umso erstaunlicher, wie mutig die Iraner regelmäßig (oft täglich) Gesetze brechen (müssen), um einigermaßen normal leben zu können: sei es das Kopftuch, Beziehungen, Meinungsfreiheit oder Alkohol. Es gibt eine parallele Geheimgesellschaft in der die Iraner das tun, was für uns freie Menschen das Normalste der Welt ist. Wie lange das noch so weitergeht, darüber haben wir mit verschiedenen Leuten ganz viel diskutiert. Digitale Medien und soziale Netzwerke, aber auch Touristen aus anderen Ländern zeigen und erzählen den Iranern wie die Welt „da draußen“ aussieht. Auf der anderen Seite wird ein Aufbegehren wahrscheinlich nicht ohne Blutvergießen von Statten gehen. Andere sagen, die Alten sterben irgendwann weg, das Problem wird sich sozusagen von selbst lösen. Vielleicht kommt es auch ganz anders. Fakt ist, die iranischen Menschen haben eine freies, friedliches und selbstbestimmtes Leben mehr als verdient! Wir hoffen sehr, dass sie dieses so schnell wie möglich bekommen.
Vielen Dank an die wunderbaren Iraner, die wir auf dieser Reise kennenlernen dürften!!!

 


Hier gibt's die Bilder zur Geschichte
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