Abenteuer Pamir Highway: Ohne Allrad durch Tajikistan


Seven Lakes, Iskanderkul, Dushanbe, Bartang Tal, Korough, Wakhan Korridor, Alichur, Karakol


Perfekter Start – die Seven Lakes und Iskanderkul

Nach viel Kultur und Geschichte sehen wir gleich in den ersten Kilometern hinter der Grenze, die sowohl auf usbekischer als auch auf tajikischer Seite wieder völlig unkompliziert verläuft, was uns in diesem neuen Land erwartet: Natur pur! Darauf freuen wir uns!
Trotz eher schlechtem Wetter sieht die Landschaft schon hier toll aus. Nach kurzer Zeit erreichen wir die einzig größere Stadt im Gebiet, Panjakent. Früher war sie eine bedeutende Stadt, heute sieht man davon nicht mehr viel. Wir erledigen unsere wiederkehrenden To Do's und schauen in einem kleinen Bücherladen, ob wir eine Straßenkarte von Tajikistan ergattern können. Leider haben wir keine dabei und es ist sehr schwer, an eine gute Karte zu kommen, die hier sehr nützlich wäre. Der Buchladen hat aber auch keine und so müssen wir ohne auskommen. Wir decken uns auf dem örtlichen Basar mit Lebensmitteln für die nächsten paar Tage ein, denn unser Ziel für heute ist das Tal der sieben Seen.
Um dorthin zu kommen biegen wir einige Kilometer nach Panjakent in ein Seitental ab. Wir wissen von anderen Reisenden, dass die Straße nicht gut sein soll. Die ersten paar Kilometer sind noch super, danach wird es miserabel. Schlaglöcher, Schotterpisten, Wellblech, kleine Bäche sind zu durchqueren. Dafür führt die Straße durch ein tolles Tal, an Dörfern vorbei und an einem schönen Fluss entlang. Wir brauchen noch Wasser, also halten wir an einem kleinen Laden. Ich gehe hinein und als ich wieder herauskomme stehen bestimmt 10 Kinder und ein, zwei Erwachsene um unser Auto herum und möchten hinein schauen. Wie sich herausstellt gehört der Laden einer Familie, Mann, Frau und sie haben wirklich 10 Kinder. Die Menschen in dieser Region sind arm, sie leben vom Anbau eigener Lebensmittel, haben kleine Läden und/oder viele Männer arbeiten in Minen in der Umgebung, denn Tajikistan hat unglaublich viele Bodenschätze. Sie sind alle total freundlich und interessiert, auch auf dem Weg winken uns viele zu.
Das Tal heißt „Seven Lakes“, weil nacheinander sieben unterschiedlich große Seen aufgereiht sind. Wir kommen, auch das wussten wir vorher, bis zum dritten See, danach wird die Straße zu schwierig. Direkt am See ist ein größerer, freier Platz an dem wir parken können. Eine Familie, die mit drei Kindern und einem alten Feuerwehrauto aus dem Jahr 1963 unterwegs ist und die wir bereits aus dem Iran und Turkmenistan kennen stehen schon hier. Sie sind auch heute, allerdings ein paar Stunden vor uns, über die Grenze gekommen. Da es schon spät ist und das Wetter schlecht, sprechen wir kurz aber machen uns dann ans Abendessen.

Am nächsten Tag ist das Wetter nicht viel besser, daher nutzen wir die Zeit im Bus. Gerade am Anfang eines neues Landes ist es immer schön, mal ein paar Stunden „Zeit“ zu haben, alles neu zu sortieren, sich einzulesen, Reisebericht zu schreiben. Da es nicht regnet machen wir uns später am Tag aber trotzdem auf zu einer Wanderung. Der Vater der „Feuerwehr-Familie“, Dominic, und die älteste Tochter, Mathilda (6 Jahre alt) kommen mit. Kurz neben unserem Parkplatz führt ein Pfad in ein Seitental des Tals. Hier in Tajikistan gibt es noch so gut wie keine markierten Wanderwege, aber man sieht anhand des Graszustands wo der Weg entlang geht. Der Fluss neben dem wir nach oben laufen wird irgendwann zu einem mehrstufigen Wasserfall. Wir laufen durch wunderschöne, mit Wildblumen und -kräutern bewachsene Wiesen, weiter oben vermuten wir, dass Tee angebaut wird.
Riesige Vögel kreisen über uns und wir stellen fest, dass es Schneegeier sind. Majestätisch sehen sie aus und beeindruckend, mit einer Spannweite von 3m. In den Bäumen erkennen wir riesige Nester, vielleicht Horste von den Geiern. Immer wieder fliegen stahlblaue Vögel umher, eventuell Eisvögel? (Vielleicht gibt es ja einen Ornithologen unter den Lesern, der die Vogelarten anhand der Bilder erkennt und uns aufklärt. ;)) Esel laufen vor uns her oder grasen immer in den Feldern.  Am Ende des Trampelpfades kommen wir zu einem Dorf, malerisch eingebettet in die sattgrünen Hänge. Hier, am gefühlten Ende der Welt, leben die Menschen extrem einfach, für uns gar nicht mehr vorstellbar. Die Häuser sind aus Holzlatten und einer Mischung aus Steinen und Lehm gefertigt, es gibt wohl mittlerweile Strom, wenn nicht gerade ein Erdrutsch die Leitungen zerstört (was leider sehr häufig vorkommt). Sie leben von ihren Erzeugnissen und im Winter, wenn es hier richtig kalt und ungemütlich wird, von dem was sie konserviert haben. Wie sie dann die Kälte aushalten ist uns ein Rätsel. Aber, wie bisher immer auf dieser Reise, winken sie uns fröhlich zu. Immer mehr Leute kommen aus ihren Häusern, steigen auf ihre Dächer und beobachten was wir machen. So viele Touristen bekommen sie wahrscheinlich nicht zu Gesicht.
Wir drehen an diesem Punkt um und laufen zurück zu unseren Bussen. Dominic und Mathilda gehen in ihren Bus Abendessen, wir beide fangen an zu kochen: Linsen und handgeschabte Spätzle.
Während wir kochen kommen Mathilda und ihr Bruder Toni (4 Jahre alt) vorbei und setzen sich zu uns in den Bus. Jannis kocht alleine weiter und ich unterhalte mich mit den beiden, sie sind wirklich süß. Mathilda hat unser zukünftiges Haus für uns gebastelt und es bekommt natürlich einen Ehrenplatz in unserem Bus. Während Jannis kocht schauen sie immer wieder in die Töpfe und sagen wie lecker es riecht. Wir fragen, ob sie noch Hunger haben nach ihrem Abendessen und mit essen möchten. Beide sagen sofort „Ja!“. Wir machen ihnen jeweils eine kleine Portion zurecht und sie sind begeistert. Später erzählt uns Christina, die Mutter der beiden, dass sie nachher gesagt hätten bei uns schmecke es viel besser als bei ihr... Oops! :-/ Aber es ist ja auch etwas anderes ob man zusammen für zwei Leute kocht oder alleine für eine ganze Familie.
Irgendwann müssen die beiden ins Bett und Jannis und ich lassen den Abend gemütlich ausklingen.

Am nächsten Morgen fährt die Familie weiter, Dominic hat sich zum Ziel gesetzt mit dem Auto bis zum sechsten See zu kommen, obwohl der Weg schwierig und mit einigen Felsüberhängen bestückt sein soll. Wir verzichten, uns gefällt der Platz hier total gut und wir wollen lieber mit den Mountainbikes bis zum siebten See fahren. Wir verabreden uns für irgendwann im Laufe des Tages. Wie immer brauchen wir, bis wir in die Gänge kommen (wir gestalten die Morgen immer eher gemütlich ;)). Als wir gegen 13 Uhr losfahren wollen, angezogen, Rucksäcke gepackt, Räder startklar, beginnt es plötzlich heftig zu regnen. Wir wollen den Regen abwarten, so macht es keinen Sinn loszufahren, aber da können wir lange warten. Es regnet sich immer weiter ein, Gewitter gesellt sich dazu. Gott sei Dank kam der Regen gerade noch rechtzeitig bevor wir los sind, sonst säßen wir jetzt richtig in der Sch****. Es bleibt den ganzen Tag so, daher igeln wir uns ein und nutzen die Zeit, um endlich den Tajikistan Reiseführer zu lesen und unsere Route zumindest ungefähr zu überlegen. Gegen Abend kommt eine Gruppe junger Männer an den See zum Angeln.
Als wir am nächsten Tag aufwachen strahlt die Sonne und wir können unsere Radtour machen. Dieses Mal sind wir zum Glück auch früher dran, denn wie wir im Laufe dieses Tages sehen werden hätten wir die Strecke nicht geschafft, wären wir erst um 13 Uhr los.
Wir bereiten gerade das Frühstück vor da klopft es am Bus. Einer der jungen Männer von gestern Abend steht an der Tür mit einer Tüte in der Hand. Er überreicht sie uns und als wir reinschauen ist die Tüte komplett voll mit frischem Fisch. Wir sind total überrascht, sagen das ist viel zu viel aber er besteht darauf, dass wir ihn nehmen sollen. Sie haben die ganze Nacht hier verbracht und wohl zu sechst in dem kleinen Bus geschlafen mit dem sie da sind.
Auch heute angeln sie noch weiter und bevor wir mit den Rädern losfahren bringen wir ihnen zum Dank noch Ritter Sport Schokolade vorbei.

Die Strecke ist ziemlich heftig. Es geht rauf und runter auf Schotter-, Geröll- und Steinpisten, es ist sowohl anstrengend als auch herausfordernd. Als erste richtige Mountainbike Tour dieser Reise geben wir es uns gleich richtig. Aber die Ausblicke entschädigen für alle Anstrengungen. Jeder neue See ist schön, jeder sieht anders aus. Andere Farben, andere Formen, andere Umgebung. Kinder angeln am Flussbett, links von uns die steilen Felsen, rechts der Abgrund. Wir fahren durch Dörfer, Menschen winken uns zu.
Als wir in ein größeres Dorf kommen fallen uns gleich mehrere Dinge auf: viele Schilder weisen auf Entwicklungshilfe Projekte hin, die Menschen sind muslimischer, die meisten Frauen hier sind wieder mehr verschleiert, verstecken ihr Gesicht und winken uns nicht sondern schauen weg und viele Kinder betteln – sie fragen nach Geld oder Schokolade. Das ist für uns ein Novum auf dieser Reise.
Innerhalb des Dorfes wird der Weg so steil, dass wir schieben müssen. Schon kommen drei Jungs angerannt, die uns das Fahrrad aus der Hand reißen und erst schieben, dann aufsteigen und fahren. Sie scheinen große Freude am Fahrrad fahren zu haben, haben selbst wahrscheinlich keins. Wir lassen sie gewähren, der Weg wird noch steiler, aber sie schieben und fahren, schieben und fahren. Selbst als wir mehrmals rufen, um unsere Fahrräder zurück zu bekommen (auch aus schlechtem Gewissen, dass sie den anstrengenden Weg unsere Fahrräder schieben) kommen sie nicht. Irgendwann holen wir sie ein, sie deuten uns an wir sollen mit ihnen auf einer Wiese Platz nehmen. Sie wollen Fotos machen, einer der Jungs möchte uns etwas auf's Handy spielen. Mittlerweile haben wir festgestellt, dass wir unser Portemonnaie im Bus liegen lassen haben, sind gespannt ob sie uns nach Geld fragen. Wir würden aber keines geben wollen, das würde einen falschen Eindruck machen. Wir wollen uns trotzdem dankbar zeigen und ihnen etwas von unserem Essen abgeben. Der Junge lehnt ab und uns wird schnell klar, dass ja gerade Ramadan ist und sich in dieser strenger muslimischen Gegend wohl auch die Kinder daran halten. Wir schenken ihnen unsere Pistazien für später, nehmen unsere Fahrräder und wollen los, da fragt der eine doch nach Geld. Wir verneinen und laufen weiter, er versucht es noch ein, zwei Mal und lässt irgendwann ab. Die anderen beiden Jungs sind schon längst weg, ihnen hat das Fahrrad fahren selbst wohl gereicht.
Nach einigen Stunden kommen wir am sechsten See an und sehen schon von Weitem das Feuerwehrauto am Ufer stehen. Als wir ankommen kommt uns die Family gerade entgegen, sie kommen zurück von der Wanderung an den siebten See. Sie freuen sich sehr uns zu sehen, sie hatten sich schon Sorgen gemacht, dass wir am Tag zuvor mit den Rädern in das starke Gewitter gekommen sind. Wir machen bei ihnen unsere Vesperpause und bekommen sogar noch ein Butterbrot dazu. Zwar schon ziemlich platt von der Radtour dafür aber frisch gestärkt machen auch wir uns auf die Wanderung zum siebten See. Der Weg hoch zum See ist traumhaft schön, wir fühlen uns wie im Garten Eden. Überall kleine Bachläufe, die durch die Wiesen rinnen, links neben uns ein Fluss mit großen Gesteinsbrocken, rechts Berge mit grasgrünen Wiesen. Überall laufen Tiere frei herum, ab und zu sieht man einen großen Teppich zum Trocknen am Flussufer liegen. Ein Dorf liegt in den Hang eingebettet, ein Wasserfall läuft in zahllosen Rinnsalen einen Hang hinunter, alte Wassermühlen tun ihr Werk. Es ist wirklich paradiesisch. Am siebten See angekommen setzen wir uns eine Weile an den kieseligen Strand, der See ist umrahmt von Bergen. Wir verweile ein wenig, machen uns dann aber schon auf den Rückweg, denn wir müssen die ganze Strecke ja auch noch zurück gehen /fahren und es ist schon Nachmittag.
Wieder am Feuerwehrauto angekommen hat die Familie auf uns gewartet, um ein Lagerfeuer mit den Kindern zu machen. Wir bleiben noch eine halbe Stunde, dann radeln wir zurück. Mittlerweile spielt da, wo vorher die Kinder geangelt haben eine große Gruppe jüngerer und älterer Männer Fussball auf der Flussmündung – ein tolles Bild. Die letzten Meter werden nochmal hart und gegen 19 Uhr kommen wir erschöpft aber glücklich am Bus an. Wir lehnen uns zurück und genießen erst einmal ein kaltes Bier. Irgendwann nach dem Essen fallen wir müde ins Bett.

Auch der nächste Tag bringt strahlenden Sonnenschein. Heute wollen wir weiter fahren zu unserem nächsten Ziel, dem See Iskanderkul noch vor der Hauptstadt Dushanbe. Davor wollen wir endlich das erste Mal unsere Solardusche verwenden und das Wetter heute ermöglicht das. Wir duschen draußen direkt am See mit tollem Blick, herrlich!
Als wir gerade am Frühstück sitzen kommt der Feuerwehrwagen angefahren. Sie wollen heute noch eine Nacht hier bleiben und dann morgen weiter in Richtung Iskanderkul, weil sie mit den Kindern keine so großen Strecken fahren können. Die Kinder freuen sich sehr, dass wir noch da sind und nehmen uns gleich voll ein. Spielen, malen, Zeit zusammen verbringen. Wir unterhalten uns alle sehr nett und als es nach und nach immer später wird entscheiden wir, heute doch nicht mehr weiterzufahren. Stattdessen werden Hängematten und Slackline, Boule und Pitsch-Patsch ausgepackt – ein richtiger „Urlaubstag“.
Zusammen mit der Familie grillen wir die Fische am Lagerfeuer, die, so stellt Dominic dann fest, sogar schon von den jungen Männern ausgenommen wurden – welch ein Service! Auch hier kann man wieder sehr gut sehen, wie gastfreundlich und auf Teilen aus diese Menschen sind.

Am nächsten Morgen geht es dann aber wirklich los. Die Familie ist natürlich schon vor uns weg, aber wir schaffen es auch nicht allzu spät loszukommen. Auf dem Weg holen wir sie sogar wieder ein, wie gesagt mit Kindern ist es schwieriger an einem Stück durchzufahren. Auch die Strecke zum Iskanderkul ist herrlich, farbige Berge, Canyons und  tiefe Schluchten, ein abwechslungsreiches Panorama. Auf dem dem Weg kaufen wir in einem Dorf noch ein, wechseln Geld und tanken Wasser an einem Brunnen am Straßenrand. Leider passt unser Schlauch nicht, daher müssen 150 Liter Wasser von Hand mit 10 Liter Kanistern getankt werden – kein schlechtes Training. ;)

Beim Abzweig zum See fahren wir über eine historische Brücke. In dieser Gegend werden schon seit Jahren alle möglichen Bodenschätze abgebaut, wie im ganzen Land. Wir fahren durch unglaublich schöne Landschaft mit tollen Farben, besonders jetzt im Abendlicht. Unten fließt ein wilder Fluss, oben ragen bizarr geformte, Terracotta-farbene Berge empor. Es erinnert mich an Bilder, die ich schon vom Colorado River und seinen Schluchten gesehen habe.
Am See angekommen fahren wir halb herum, da vorne Feriensiedlungen sind. Auf der anderen Seite des Sees steht das Sommerhaus des Präsidenten von Tajikistan inklusive Hubschrauberlandeplatz, wir fahren aber noch ein Stück weiter und kommen in ein kleines Waldstück direkt am See, an dem wir alleine stehen können. Man muss dazu sagen, dass wir erst nicht sicher waren ob wir da überhaupt hinkommen, da wir durch einen kleinen Wasserlauf fahren mussten, aber es hat geklappt. ;) Außer uns ist heute auch niemand anders hier.

Als wir am nächsten Morgen so ganz alleine beim Frühstück am Wasser sitzen und den See überblicken wird uns nochmal klar, dass wir die richtige Entscheidung getroffen haben, uns für diese Route für unsere „Weltreise“ zu entscheiden. Wo ist es heute noch einfach möglich, ganz alleine ohne einen anderen Touristen an so einem Ort zu sitzen? Und auch hier wird sich das irgendwann ändern.
Im Laufe des Tages kommt noch ein estländisches Auto an und die Feuerwehr-Familie. Sie haben die Strecke auf zwei Etappen aufteilen müssen. Die Kids kommen wieder direkt zu uns und wir verbringen den Tag zusammen. Mathilda hat noch einiges mehr für uns gebastelt und sowohl von Mathilda als auch von Toni bekomme ich ein selbstgemachtes Armband geschenkt, dass ich ab sofort natürlich immer trage. Es werden Papierflieger gebaut, Fußnägel lackiert und Holz für das Lagerfeuer am Abend gesammelt.
Am Nachmittag machen Jannis und ich noch eine kleine Wanderung in Richtung eines erhöhten Aussichtspunkts inklusive Denkmal für hier verstorbene Bergsteiger. Da wir gelesen haben, dass es hier sowohl die hochgiftige Levante-Otter als auch die hochgiftige asiatische Kobra geben soll halten wir ständig Ausschau: vor Schlangen haben wir beide Angst. Wir kommen an einer weiteren Villa mit Hubschrauberlandeplatz vorbei, wissen allerdings nicht wem diese gehört. Als wir fast am Aussichtspunkt sind hört der Wanderweg auf einmal auf, es geht durch kleine Büsche und Gräser. Erst laufen wir noch ein paar Meter, aber die blöden Schlagen haben sich so in unseren Kopf eingebrannt, dass wir irgendwann umdrehen. Zu sehr haben wir Angst davor, dass gleich eine herausspringt und uns beißt (völlig unbegründet, ich weiß, aber der ein oder andere kennt ja unsere Australien Schlangen Story... ;)).
Als wir zurück am Bus ankommen, kommt die Family rüber und wir verbringen einen schönen Abend am Lagerfeuer.

Relativ früh am nächsten Morgen muss Jannis auf Toilette und als er aus dem Bus aussteigt hören wir schon, wie die Kids darum wetten wer als erstes zu uns rüber gerannt kommt. Allerdings machen wir uns heute weiter auf den Weg in die Hauptstadt Dushanbe. Die Familie bleibt noch eine Nacht und fährt dann erst weiter. Wir verabschieden uns herzlich, weil wir nicht wissen ob wir uns auf der Route nochmal wiedersehen und fahren los. Am Iskanderkul gibt es neben dem großen See auch noch den sogenannten Schlangen-See (der Name ist wohl Programm) und einen Wasserfall. 
Der Schlangensee ist unspektakulär (und Schlangen sehen wir auch keine), daher machen wir uns gleich auf den Weg zum Wasserfall. Zu unserem „Erschrecken“ ist der „Weg“ dorthin leider auch nur ein Trampelpfad zwischen Büschen und wir sind ganz allein. Wir überlegen tatsächlich, ob wir es wirklich machen sollen, aber da wir den Wasserfall unbedingt sehen wollen laufen wir weiter: trampelnd, damit uns die Tiere früh genug hören und verschwinden können und über alles hüpfend was den Pfad quert. An einem großen Fels direkt neben dem Weg krabbelt ein Tausendfüssler, aber sonst sehen wir zum Glück nichts. Der Fluss, der zum Wasserfall führt ist türkis und reißend  und der Wasserfall selbst ist toll: zwischen engen Felswänden stürzt er tobend in die Tiefe. Auf aneinander geschweißten Stahlstangen mit Netz kann man über den Wasserfall laufen und hat tolle Blicke. Wir steigen noch auf einen etwas weiter oben gelegenen Felsen um noch besser zu sehen und man muss aufpassen, dass man nicht durch einen falschen Schritt abrutscht und nach unten schlittert.
Wir merken, dass wir doch nicht die einzigen sind, hier auf der Plattform sind tatsächlich noch andere Menschen.
Als wir wieder zurück laufen wollen werden wir von zwei norwegischen Brüdern angesprochen, die hier Urlaub machen. Wir unterhalten uns sehr nett, dann trennen sich unsere Wege wieder.
Bei der Wanderung zurück vom Wasserfall sind wir viel entspannter, jetzt wissen wir ja, dass hier noch andere Leute gelaufen sind. Und siehe da: wir bemerken wir wunderschön die Umgebung ist, wie bunt und üppig die Pflanzen und Blumen sind. Ein wirklich toller Weg!!

Dushanbe – Party, Reifen und ein aufgedeckter Kriminalfall

Zurück am Bus machen wir uns auf die Fahrt nach Dushanbe. Auch diese Strecke ist reizvoll, es geht erst hoch hinauf, um nachher wieder Richtung Hauptstadt abzufallen. Um diesen Pass zu durchqueren gibt es seit einigen Jahren einen Tunnel, den sogenannten Anzob Tunnel, vorher war die Strecke für normale PKW's nicht wirklich befahrbar. Daher ist der Tunnel natürlich eine gute Sache, sieht man davon ab, dass er weder beleuchtet noch belüftet wird. Für Autofahrer heißt das auf jeden Fall Fenster zu beim Durchfahren, Fahrradfahrer dürfen gar nicht durch sondern müssen vorher anhalten und die Polizei sorgt dafür, dass ein LKW sie mitnimmt – viel zu hoch wäre die Vergiftungsgefahr!
Wir kommen aber gut durch und halten wie die meisten Autos direkt nach dem Tunnel an, um den Blick auf die „neue“ Landschaft zu genießen. Wir legen hier auch gleich unsere Mittagspause ein, um danach gemütlich nach Dushanbe zu fahren. Ungefähr 30 km vor der Stadt merkt man schnell, dass man Dushanbe immer näher kommt: überall stehen riesige Villen der (Neu-)Reichen am Flussufer, oft Menschen die irgendwie Verbindungen zur Regierung haben. Am Nachmittag kommen wir in Dushanbe an und entscheiden uns, ein Hostel anzufahren um zu fragen ob wir dort parken dürfen. Schon auf dem Weg dorthin fahren wir die „Prachtstraße“ Dushanbes entlang, an der alle Hauptsehenswürdigkeiten aufgereiht sind. Die Stadt wirkt sehr aufgeräumt und freundlich mit vielen Parks, aber eben auch typisch „prunkvoll-sowjetisch“. Überall stehen Verkehrspolizisten, es gibt keine Ecke ohne.
Im Hostel angekommen sehen wir nicht, wo hier ein Parkplatz sein soll, fragen aber trotzdem nach. Der Besitzer sagt uns, dass wir im Innenhof des Hostels stehen können wenn wir möchten. Also wird das große Eingangstor geöffnet und wir rollen mit unserem großen Bus mitten in den Eingang, direkt vor die Tür des Hostels – gemütlich. :)
Wir schmeißen die erste Wäsche in die Maschine und als wir wieder rauskommen laufen uns tatsächlich die zwei Norweger, die wir am Morgen am Wasserfall getroffen hatten in die Arme. Sie sind auch hier im Hostel, was für ein Zufall. Zusammen mit ein paar anderen setzen wir uns für ein Bier zusammen. Irgendwann haben Jannis und ich so einen Hunger, dass wir beschließen essen zu gehen. Der eine Norweger bekommt Wind davon, fragt ob er sich anschließen dürfe. Aber klar! Als wir uns kurz umziehen im Bus und wieder rauskommen steht eine Gruppe von 5 Leuten bereit: die zwei Norweger, zwei Schweizer und ein Tajike die auch mitkommen. Cool, so schnell geht’s und wir ziehen los. Mit dem Taxi fahren wir zu einem ukrainischen Restaurant, das den Norwegern empfohlen wurde. Es ist eine illustre Runde und ein richtig lustiger Abend. Runde nach Runde wird bestellt, jeder hat Geschichten zu erzählen. Irgendwann kommt ein tajikischer Sänger mit Gitarre an den Tisch, die Stimmung wird noch heiterer und die zwei Norweger fangen an norwegische Lieder zum Besten zu geben. Der Tajike betont mehrmals wie toll er diese Runde findet und das man die ganze Politik den Hasen geben kann wenn man doch einmal sieht wie das „wahre Leben“ ist: Menschen aus aller Welt sitzen an einem Tisch, verstehen sich gut, lachen, sind harmonisch, mögen einander. Warum kann das nicht auch „da oben“ ankommen!! Dann wäre die Welt endlich friedlich...
Sehr spät kommen wir zurück zum Hostel, aber noch keiner hat Lust zum Schlafen gehen. Die Norweger haben tajikischen Wodka gekauft von dem noch übrig ist und bringen ihn an den Tisch. Da kommt der Tajike, der in Russland arbeitet und lebt und bringt seinen russischen Wodka. Zu guter Letzt haben auch wir noch einen Rest unseres turkmenischen „Diktator“ Wodkas und so schließt sich dem Abendessen ein nicht geplantes Wodka-Tasting an.

Der nächste Morgen lässt die Folgen spüren.... Spät stehen wir auf und bis wir in die Gänge kommen ist es Mittag. Und das, wo wir heute viel vorhaben: es ist Freitag, wir wollen zur russischen Botschaft wegen unseres Visums, einen neuen Ersatzreifen kaufen für den der geklaut wurde und die Stadt anschauen. Mit einem Kater alles nicht so einfach... Aber was soll's, morgen ist Samstag, da hat die Botschaft zu, wir müssen. Da das Taxi fahren hier seriös (immer mit Taxometer) und günstig zu gleich ist nehmen wir ein Taxi zur Botschaft am anderen Ende der Stadt. Irgendwann fährt der Taxifahrer allerdings nur noch im Kreis, eine riesige Baustelle blockiert den Weg. Nachdem Jannis das Ganze im Navi mitverfolgt entscheiden wir zusammen mit dem Taxifahrer, dass es besser ist den Rest zu laufen: es ist kein Durchkommen. Doch leider gestaltet sich auch das Laufen sehr schwierig. Eine riesige Kreuzung wird gerade komplett neu gebaut, überall drum herum ist die Straße offen, alles ist abgesperrt. Wir laufen und laufen, biegen rechts ab und wieder links, verzweifeln langsam weil wir nicht wissen ob wir überhaupt da ankommen können wo wir hinmüssen. Wir laufen durch ganz kleine Gassen und sehr arme Wohngebiete. Hier gibt es die typischen Plattenbauten, alles ziemlich heruntergekommen. Aber siehe da: immer wieder stehen „richtig fette Karren“ in der Gegend herum. Am Straßenrand vor einem der Wohnhäuser eine mit grünem Mattlack lackierte, neue S-Klasse, auf einem Parkplatz mitten in diesem Wohngebiet eine Hochglanz-G-Klasse und wenig später wieder eine G-Klasse, ein GLK, eine E-Klasse. Was zur Hölle?! Was machen diese Autos in so einer Wohngegend? Die Bewohner hier können sich solche Autos mit Sicherheit nicht leisten... Vielleicht darauf aufpassen? Wir wollen unbedingt ein Foto davon machen, trauen uns erst nicht. Irgendwann packt Jannis doch die Kamera aus und in einem unbeobachteten Moment lichtet er diesen skurrilen Anblick ab.
Wir laufen weiter, kommen irgendwann in das Botschaftsviertel. Ein Security einer anderen Botschaft zeigt uns den „richtigen“ Weg: an Müllhalden vorbei, durch hohes  Gras bahnen wir unseren  Umweg zur russischen Botschaft. Wenig später haben wir es geschafft, wir stehen tatsächlich vor dem Eingang – der verschlossen ist. Die Zeiten im Internet stimmen wohl doch nicht... Ein paar Menschen stehen allerdings noch davor, wir sehen, dass sie klingeln und mit einem der Beamten über die Freisprechanlage sprechen. Wir versuchen dasselbe, auf Englisch immer etwas schwieriger. Wir werden gerade so unsere zwei bis drei Fragen los, allerdings ist nun sicher, dass wir hier unser Visum definitiv nicht beantragen. Um diese Information reicher machen wir uns auf den Weg zum nächsten Tagesziel: Reifen kaufen. Wir wissen vom Hostel-Besitzer, dass der beste Ort dafür der Basar ist – was sonst. ;)
Dort angekommen sind wir sehr überrascht, ein riesiger Autobasar mit allem was das Herz begehrt: Öle, Lacke, Zubehör, Kennzeichen, allen mögliche Schnick-Schnack, Sitze, Bezüge, und so weiter und eben auch Reifen. Alles halb-überdacht und nach „Themen“ geordnet. Wir steuern direkt die Reifen-Abteilung an aber nach Gesprächen mit allen Reifenverkäufern wird uns klar: wir werden hier keinen passenden Reifen finden. Es gibt unser Größen-Breiten-Lasten-Verhältnis nicht, obwohl es in Tajikistan seit langem mal wieder Sprinter gibt. Wir überlegen einen halb-passenden Reifen zu kaufen mit dem Wissen, dass wir ihn in Deutschland nicht verwenden dürfen. Am Ende kommt noch die Option auf, einen gebrauchten Reifen zu kaufen, aber wir sind uns nicht sicher. Jannis kauft noch neues Öl und eine Schraube, dann ziehen wir ohne neuen Reifen von dannen.
Wir lassen uns bei einem der Hauptplätze raus und schauen uns ein wenig die Stadt an. Da es zum einen aber abartig heiß ist und ich mir zum anderen am Morgen so derartig meinen Zehen angehauen habe, dass ich kaum laufen kann setzen wir uns für eine Weile in den schönen Park, der neben Statuen, Sitzbänken, einem Palast, diversen Springbrunnen und vielen Bäumen auch eine unglaubliche Anzahl, Vielfalt und Pracht an Rosen zu bieten hat. Hier verweilen wir auf einer Parkbank im Schatten und ich bin so müde, dass ich irgendwann einschlafe. Jannis sucht derweil im Internet nach der Möglichkeit doch noch einen Reifen in dieser Stadt zu finden und stößt durch Zufall auf einen Zeitungsartikel der Süddeutschen Zeitung aus 2014. In diesem Artikel wird beschrieben, wie systematisch teure, in Deutschland geklaute Autos nach Dushanbe gelangen und hier auf illegalen Schwarzmärkten günstig an wohlhabende Menschen verkauft werden. Nicht im Ernst! Genau das haben wir live gesehen! Es wird sogar ein Fall von einem deutschen Profifussballer beschrieben, dessen sehr teures und vor allem auffällig lackiertes Auto in Deutschland geklaut und dann sogar inklusive seiner Umweltplakette in Dushanbe wieder gefunden wurde. Krass...
Der Präsident geht dagegen nicht wirklich vor, die Autos werden zum Teil nicht herausgerückt. Insgesamt ist die Korruption und Vetterleswirtschaft hier im Land extrem hoch. Zwei Söhne des Präsidenten haben sich beide bereits sehr schwer strafbar gemacht (einer wegen Drogenbesitz und -handel, der andere wegen Totfahren von drei Personen), wurden aber nie dafür belangt.
Mit diesen Erkenntnissen gehen wir in einem indischen Restaurant Abendessen und danach zurück ins Hostel. Dieser Abend wird um einiges gediegener als der vorige und wir gehen früh ins Bett.

Heute wollen wir weiterfahren, wir haben genug von der Stadt und der Pamir Highway ruft! Davor rufen allerdings noch Supermarkt und ein Reifenhändler, bei dem wir tatsächlich einen gebrauchten Reifen kaufen, der zwar auch nicht ganz passt, dafür aber günstig ist und das Gewissen beruhigt. ;) Und als Ersatzreifen wird er es im Notfall hoffentlich wohl tun. Der Einkauf wird riesig, denn wir haben gelesen, dass es im Pamir schwerer wird an Lebensmittel zu kommen. Unser Bus platzt aus allen Nähten als wir aus der Stadt herausfahren.

Auf dem Weg in den Pamir – enge Schluchten, steile Felswände und gefährliche Schlafplätze

Der Pamir Highway ist offiziell der zweithöchste, „asphaltierte“ Highway der Welt. Der Pamir selbst ist ein Gebirge, die Verlängerung des Himalaya.
Von Dushanbe aus gibt es zwei Möglichkeiten die Route zum Pamir und im Pamir zu fahren, jeweils eine Nord- und eine Südroute. Bei der ersten Entscheidung ob Nord oder Süd geht es um die Qualität der Straßen, denn beide Routen sollen gleich schön sein. Wir entscheiden uns für die Südroute, da wir von mehreren Seiten gehört haben, dass die Straßen auf der Nordroute äußerst bescheiden sind. Auch beim zweiten Teil entscheiden wir uns für die Südroute. Diese ist zwar nicht der „offizielle“ Pamir Highway, dafür führt sie durch den sogenannten Wakhan Korridor an der Grenze zu Afghanistan und soll landschaftlich sehr reizvoll sein. Der eigentlich Pamir Highway weiter nördlich ist zwar kürzer, dafür wird er aber auch von allen LKWs befahren, da die Südroute stellenweise so schlechte Straßen hat, dass nicht einmal öffentliche Verkehrsmittel dort fahren. Darauf lassen wir uns bei diesem Streckenabschnitt ein.

Jetzt aber fahren wird erst einmal von Dushanbe aus südlich, an einem schönen Stausee vorbei, der tolle Halbinseln und Inseln formt, je nachdem wie hoch er ist. Am Aussichtspunkt kaufen wir an einem Stand Pistazien und probieren endlich einen dieser weißen „Bobbel“ die wir immer wieder am Straßenrand sehen und die man einmal probiert haben muss. Ich beiße ab, Jannis steckt sich das ganze Ding in den Mund. Es ist abartig salzig und so hart, dass man es nicht schnell kauen und herunterschlucken kann, sondern lutschen muss. Jannis hat also eine Weile das Vergnügen, spuckt den letzten Rest aber irgendwann aus dem Fenster. Noch die nächsten Stunden haben wir beide einen Brand von diesem salzigen Zeug. Wir kommen an der Geburtsstadt des Präsidenten vorbei, hier gibt es neben der Hauptstadt die besten Straßen des Landes. Das ganze Gebiet um die Stadt herum wurde „zufällig“ als Sonderwirtschaftszone bestimmt, in die viele Investitionen fließen. Danach geht es in eine hügelige Landschaft mit ausgetrocknetem Flussbett, die Straße schraubt sich immer weiter hinauf bis zu einem Pass. Genau hier parken wir unser Bussle für die Nacht: es ist zwar direkt neben der Straße, aber die Aussicht ist sehr schön, es wird schon dunkel und weit und breit gibt es sonst nichts.
Ein Gewitter zieht auf und die Nacht hier oben wird extrem windig, zwischendurch habe ich Angst, dass es unseren Bus umhaut. Zum Glück können wir trotzdem gut schlafen und als wir am nächsten Morgen aufwachen ist der Wind weg und unser Bus noch da.

Nach einem Panorama-Frühstück fahren wir los und kommen wenig später zum ersten Posten, an dem wir unser Visa inklusive Sondergenehmigung für diese Region vorzeigen müssen. Jetzt sind wir offiziell im Pamir-Gebiet! Die Straße führt von hier immer weiter bergab durch einen vom wilden Fluss geformten, wirklich unglaublich tollen Canyon. Links wunderschöne Gesteinsformationen, rechts hat man immer wieder grandiose Blicke in von Nebenarmen des Flusses geformte Seitentäler. Eine wunderschöne Fahrt! In einer Kurve liegt mitten auf der Straße ein riesiger Felsbrocken. Der kann noch nicht lange hier liegen. Während unserer Zeit in Tajikistan werden wir dies noch viel öfter sehen und immer wieder Angst haben, dass uns irgendwann man selbst so etwas trifft... Als wir um eine weitere Kurve fahren, haben wir das erste Mal Blick auf das Nachbarland: Afghanistan. Der große Fluss Panj bildet hier unten die natürliche Grenze der beiden Länder und stellenweise ist man wirklich nur einen Katzensprung von Afghanistan entfernt. Es sieht nicht arg anders aus als hier drüben, hohe Berge, ordentlich bestellte Felder, kleine, schöne Dörfer. Den Anblick dieses in den Medien so schlecht dargestellten Landes werden wir unten im Wakhan Korridor noch viele Tage genießen können. Jetzt genießen wir den Ausblick, dann fahren wir weiter. Wir sind gespannt wie die Strecke wird. Noch ist das Tal sehr breit und Afghanistan weit weg, aber schon kurze Zeit später verengt sich das Tal zu einer engen Schlucht, nur durchlaufen vom tobenden Panj. Rechts vom Fluss, auf afghanischer Seite geht der Berg ab und zu noch gemächlich in die Höhe, man sieht Bergdörfer, selbst Felder gibt es weit oben noch und auf einer Schotterpiste fahren immer wieder Motorräder mit Männern manchmal in Begleitung von Frauen in Burka herum. Links von uns, in Tajikistan, ist die Felswand nur noch steil. Sie ragt bedrohlich über uns, immer wieder gibt es Felsvorsprünge und nicht viel Platz zum Ausweichen. Mehrmals kommen wir an Stellen, an denen Stein- oder besser Felsschlag die Straße komplett zerstört hat und man einen Behilfsweg, auch über Steine, fahren muss. Nicht zu sprechen von den tausenden kleinerer Steine und Felsen, die fast überall am Rand auf der Straße liegen. Die Strecke ist atemberaubend schön, der wilde Fluss, die enge der Schlucht, nach jeder Kurve neue tolle Blicke auf die hohen Berge. Da ist auch die Straße gut zu ertragen. Unser Tagesziel für heute ist die Kleinstadt Qala-i Kumb an der sich die Nord- und die Südroute ab Dushanbe treffen. Den nächsten Streckenabschnitt von hier bis in die Stadt Korough müssen alle fahren, die in diesem Gebiet unterwegs sind, ab Korough trennen sich die Wege wieder. Kurz hinter Qala-i Kumb fahren wir einen Berg hinauf und finden ein schönes, ruhiges Plätzchen für den Rest des Tages und die Nacht, mit Blick auf Afghanistan. Ein paar wenige Autos fahren an uns vorbei, eines sogar ein zweites Mal. Es hält an, eine Gruppe Männer, unter anderem Militärs, sitzt drin. Jannis geht raus um zu schauen was los ist, aber sie kamen nur um uns ein Brot zu bringen. Unglaublich diese Menschen! :)

Wir genießen wir einen ruhigen Vormittag in dieser Umgebung, da wir gehört haben, dass die Straßen ab jetzt bis fast vor Korough äußerst schlecht sein sollen. Noch einige Kilometer sind wir total positiv überrascht, wir empfinden die Straße als gar nicht so schlecht, vielleicht sind wir mittlerweile abgehärtet. Doch die Quittung kommt sogleich. Auf einmal gleicht die Straße eher einem Schweizer Käse als einer Fahrbahn und zusätzlich ist sie an manchen Stellen so schmal, dass man bei Gegenverkehr kaum ausweichen kann. Zum Glück ist hier nicht viel Verkehr, aber wir fragen uns doch immer wieder wie diese riesigen (chinesischen) LKWs diese Strecken meistern. Wir kommen mit ca. 20 km/h voran. Immer wieder kommen wir durch kleine Dörfer, sonst ist hier aber nicht viel. Als wir gerade einen Platz suchen um Mittagspause zu machen, weil wir beide großen Hunger haben rennen uns zwei Schuljungen hinterher. Wir halten an und sie fragen uns, ob wir sie ein Stück mitnehmen können. Aber klar machen wir das, die Wege für die Menschen von Ort zu Ort sind unglaublich weit in dieser Gegend, die Jungs müssen täglich sicher 15km zur Schule laufen – ein Weg! Sie setzen sich hinten rein und wir fahren los. Leider sprechen sie kein Englisch, wir können nur über Gestik und kleinere Wörter kommunizieren. Irgendwann bedeuten sie uns, dass sie hier raus müssen und wir fahren wieder zu zweit weiter. Wir kommen an weiteren Kontrollstationen vorbei, an der immer wieder unser Pass sowie das Visa und die Sondergenehmigung geprüft werden. An jeder Station passiert das Gleiche: unsere Daten werden in ein großes Buch eingetragen, in dem man sehen kann wer sonst noch so alles hier vorbei gekommen ist. Was mit diesen komplett vollgeschriebenen Büchern am Ende passiert weiß niemand. Fakt ist aber, dass wir in wahrscheinlich keinem der Bücher richtig, geschweige denn gleich drin stehen wie in den anderen. Da eigentlich keiner der Beamten Englisch spricht, tragen sie das ein, von dem sie denken, dass es der Name ist. Das führt dazu, dass Jannis in einigen Büchern als Vorname: Jannis, Nachname Deutsch geführt wird, bei mir gab es schon jegliche Konstellation: Vorname: Eva, Nachname: Christina; Vorname: Piel, Nachname: Tomaschko etc. Wir machen uns nicht die Mühe das immer zu korrigieren, da sich das wahrscheinlich eh nie wieder jemand anschaut. ;)
Auch heute wird es wieder schnell Nachmittag, wir haben ziemlichen Hunger weil wir immer noch nichts gegessen haben und wollen ankommen. Von anderen Reisenden haben wir die Empfehlung für einen schönen Stellplatz auf dieser Strecke bekommen, doch als wir den steilen Pfad zu diesem Platz hochfahren wollen drehen unsere Reifen durch und wir rutschen rückwärts. Viel Platz ist nicht, aber nach einer Schrecksekunde kriegt es Jannis gelenkt und wir rutschen langsam rückwärts den Pfad wieder runter. Hier können wir also nicht bleiben. Wir laufen trotzdem hoch, weil der Ausblick toll ist: man hat Sicht in ein schönes Seitental mit einem Dorf, um einen herum alles hohe Berge. Leider müssen wir weiter und schauen, wo wir dann stehen können. Das Problem in dieser Gegend ist, dass meist nicht viel Platz zum Stehen bleibt, da rechts Fluss und links Berge sind und auch nicht viele Wege davon abführen. Wir überlegen erst in einem Dorf stehen zu bleiben, fahren dann aber doch noch ein Stück weiter und kommen an ein kleines Flussbett direkt am Panj. Hier sieht es idyllisch aus, die Felswände sind weit genug weg um uns nachts nicht zu erschlagen und für unseren Bus ist auch Platz. Wir stehen hier wirklich direkt an der Grenze zu Afghanistan, auf der anderen Seite sehen wir etwas das aussieht wie eine Kaserne. Wir sind uns erst unsicher, aber der Platz ist so schön und wir haben keine Alternative, so dass wir bleiben. Wir machen gemütlich Pfannkuchen und sind noch eine Weile wach. Irgendwann, wir schlafen schon, klopft es an unsere Tür. Wie immer in so einer Situation schrecke ich auf, rüttle Jannis wach und sage „Da ist jemand!“ Jannis ruft „Hello!“ und zieht sich schnell ein T-Shirt über. Als er die Jalousie hoch macht sieht er, dass drei bewaffnete Militärs vor dem Bus stehen. Wir hatten diese Gruppen von drei bis vier uniformierten und bewaffneten Soldaten schon öfter an der Straße patroullieren sehen. Wir beide sind nervös, weil man nie einschätzen kann wie die Situation jetzt weiter geht. Jannis macht langsam die Tür auf, ich liege noch hinten. Ich höre wie Jannis sich mit einem der Männer, der ein bisschen Englisch kann unterhält. Zum Glück scheinen sie sehr nett zu sein. Sie sagen uns, dass wir hier direkt an der afghanischen Grenze stehen und es auf jeden Fall zu gefährlich ist hier zu bleiben. Es gäbe bewaffnete Gruppen mit Kalaschnikows und Co., die immer wieder auf diese Seite des Ufers herüber schießen würden. Wir sollen auf jeden Fall in das nächste Dorf fahren und dort übernachten, denn hier seien wir nicht sicher. Das sitzt tief. Die Situation mit der Sittenpolizei im Iran war blöd, ja, weil es sehr unangenehm war, aber unser „Leib und Leben“ war nie gefährdet. Diese Situation jetzt fühlt sich anders an. Als die Soldaten weg sind ziehe ich mir etwas drüber, wir packen schnell zusammen und fahren los. Es ist stockdunkel, die Straßensituation habe ich ja oben schon beschrieben... Wir fühlen uns also nicht sehr wohl. Laut den Soldaten soll das nächste Dorf nur 3km entfernt sein, das bekommen wir schon hin. Tatsächlich ist es nicht weiter, allerdings finden wir keinen besseren Platz in dem kleinen Ort als uns mitten rein vor eine Bank zu stellen. Wir brauchen eine ganze Weile um einzuschlafen und die Nacht ist unruhig.
Der Wecker am nächsten Morgen klingelt sehr früh, weil wir nicht wissen ob wir hier stehen dürfen und einen weiteren Besuch vermeiden wollen. Die ersten Schäfer sind schon wach und treiben ihre Tiere auf die Weiden. Wir machen uns ohne Frühstück auf den Weg.

Lernen über Traditionen und Probleme - Zu Besuch bei tajikischen Familien im Bartang Tal


Die Straße ist immer noch sehr schlecht, aber heute haben wir eine nicht ganz so lange Strecke vor uns. Wir wollen einen Abstecher ins Bartang Valley machen, ein Seitental, das bekannt ist für seine schöne Natur aber auch für die Bewahrung von Kultur – hier werden viele Traditionen wohl noch wirklich gelebt. Bis ans andere Ende des Tals zu fahren ist mit unserem Auto nicht möglich und wäre auch viel zu weit, aber ca. 20-30km weit fahren wir hinein. Die Landschaft ist wirklich schön. An einer Hängebrücke machen wir halt, wir haben gelesen, dass es ab hier eine schöne mehrstündige Wanderung zu dem Bergdorf Jizev geben soll. Wir bereiten ein Vesper vor, ziehen uns um und gehen los. Wir sind ganz alleine hier, weit und breit keiner. Der Weg führt erst an einer Felswand entlang um eine Ecke, den Rest sehen wir von der Brücke aus nicht. Uns ist immer noch mulmig von der Nacht davor, nicht, dass auch hier bewaffnete Gruppen herum laufen und wir ihnen ausgeliefert sind... Als wir noch an der Brücke stehen kommt ein Auto angefahren und hält neben uns an, ein gut gekleideter Mann mit Anstecknadeln steigt aus. Er freut sich sehr uns zu sehen und ist begeistert, dass wir die Wanderung in das Dorf machen wollen. Wir vermuten, dass er irgendein öffentliches Amt inne hat. Am Ende unserer Konversation, er will noch ein Foto mit uns machen, frage ich ihn, ob es sicher ist den Weg zu laufen. Er bejaht sofort und sagt es sei überhaupt kein Problem. Nahe der afghanischen Grenze sei es problematisch, hier in den Seitentälern gar nicht.
Der Fluss über der Hängebrücke ist stark und leicht bräunlich, aber als wir weiter laufen sehen wir von oben den Zufluss, der wunderschön türkis-blau dahin fließt. Als wir durch ein kleines Waldstück laufen begegnen wir einem Bergdorfbewohner, der gerade mit einem leeren geflochtenen Korb auf dem Rücken nach unten geht. Er spricht gut Englisch, was uns überrascht, und erzählt uns, dass er Leute abholen geht. Während wir mit ihm reden kommt tatsächlich ein anderer Wanderer des Wegs: ein junger Franzose der, mit zwei Rucksäcken bepackt, in das gleiche Dorf möchte wie wir. Also laufen wir zusammen weiter und unterhalten uns sehr nett. Er ist zuhause Klempner und die Arbeitsmarktsituation in Frankreich ist so gut, dass er mehrmals im Jahr auf längere Reisen geht und dann, sobald er zuhause ist, sofort wieder einen Job findet. Dieses Mal bereist er Kirgistan und Tajikistan. Er sagt er ist überzeugt davon, dass das Internet und der Tourismus in den nächsten Jahren so viel verändern wird in den Ländern, dass er sie lieber jetzt noch sehen möchte, solange sie noch „authentisch“ sind. Der Weg hinauf zum Bergdorf ist stellenweise ziemlich steil und anstrengend. Da der Tourismus in Tajikistan noch in den Kinderschuhen steckt gibt es auch hier keine Wanderwege oder geschweige denn Ausschilderungen, also laufen wir ab und an mal nach Gefühl. Am Anfang sind die Hänge sehr schroff und voller Geröll, man sieht, dass es hier regelmäßig Steinrutsche gibt. Doch je höher wir kommen, wir hätten es selbst nicht erwartet, wird es immer grüner. Ein schöner Fluss und seine Seitenbäche fließen malerisch durch die Landschaft und ermöglichen eine üppige Flora. Wir laufen auf kleinen Pfaden inmitten der Pflanzen, über kleine Bäche und Steine und haben wunderschöne Ausblicke auf die zum Teil schneebedeckten Berge hinter bunt-blühenden Blumen. Wir kommen in den ersten Teil des Dorfes, das auf ca. 2500m liegt.
Die Häuser bestehen aus Steinen und einem Lehm-Holzspän-Gemisch, überall gibt es kleine Ställe oder die Tiere laufen frei herum. Jeder baut Gemüse an, manche haben kleine Solarpanels auf dem Dach. Es gibt zwar Strom, aber auch hier werden die Strommasten immer wieder von Erdrutschen zerstört.

Das Leben ist hart hier oben. Sowohl zum Kochen als auch zum Heizen wird Brennmaterial benötigt, was hier oben sehr knapp ist und immer knapper wird. Es wird zwar zum Teil mit getrocknetem Dung geheizt, das reicht aber besonders im Winter nicht aus.
Es ist ein Teufelskreis: die Frauen sind dafür zuständig Brennmaterial zu besorgen. Sie müssen immer weiter laufen, um Material zu finden. Dafür bleiben sie zum Teil über Nacht, weil es zu weit wäre zurück zu laufen und schlafen draußen in der Kälte ohne Ausrüstung. Sie werden krank, ziehen sich Nieren-Becken oder andere Entzündungen zu. Außerdem haben sie durch das tagelange Suchen kaum Zeit, sich um die Familie zu kümmern oder einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, die der Familie etwas Geld bringen würde.
Gleichzeitig verschwinden Bäume und sogar Büsche immer mehr, was die Gefahr für Erdrutsche um ein Vielfaches erhöht, weil keine Fixierung durch die Wurzeln mehr stattfindet. Diese Geröllrutsche wiederum machen zum einen jegliche Vegetation kaputt, was auch den Tieren ihre Nahrungsgrundlage nimmt und zum anderen zerstören sie immer wieder ganze Straßen, Strommasten und sogar die eigenen Dörfer.
Vor dem Zerfall der Sowjetunion war das anders: das ganze Land hatte Strom und wurde mit Kohlelieferungen aus Russland als Brennmaterial versorgt.

Wir beschließen, noch bis zum zweiten Teil des Dorfes zu laufen, vorbei an einem schönen See und durch eine von Wasser durchflossene Wiese. Mit nassen Schuhen geht es weiter bis wir in diesem Teil des Dorfes angekommen sind. Hier bleiben Jannis und ich, um unsere Mittagspause zu machen und wir verabschieden uns von dem Franzosen, der noch etwas weiter möchte weil es dort ein Homestay gibt. Wir müssen ja heute auch noch zurück laufen, um wieder zum Bus zu kommen. Wir setzen uns auf einen großen Stein direkt neben drei kleine Lämmchen und ein Haus, an dem drei Männer gerade ihre bereits geschlagenen Steine zu einer neuen Hausmauer zusammensetzen. Irgendwann sieht Jannis, dass ein Tausendfüßler auf meinem Fuß sitzt und da diese wohl sehr unangenehm auf der Haut werden können und zusätzlich der Himmel immer dunkler wird steigen wir wieder in die nassen Schuhe und machen uns auf den Rückweg. Wir wollen erst eine andere Route nehmen, geben aber schnell auf weil kein Pfad weit und breit in Sicht ist. Auf dem Weg vom einen Teil des Dorfes in das andere gesellt sich ein Hund zu uns und läuft mit uns mit, aber als wir ganz aus dem Dorf herauslaufen dreht er um. Am Ende des Rückwegs sehen wir tatsächlich den Dorfbewohner vom Vormittag wieder mit voll bepacktem Korb-Rucksack und in Begleitung von zwei Erwachsenen und einem Kind. Wir schaffen es ohne nass zu werden zurück zum Bus, es ist schon früher Abend. Wir beschließen für die Nacht doch hier stehen zu bleiben, obwohl wir eigentlich wieder in ein Dorf fahren wollten. Der Dorfbewohner hatte nochmal betont, dass es hier sicher ist und wir fühlen uns auch so. Also machen wir uns es vor dem Bus mit Blick auf den Fluss nach der anstrengenden Wanderung bequem. Und tatsächlich rollt wenig später ein weiterer Camper an und parkt neben uns. Es ist ein spanisches Rentner-Paar mit Katze an Bord, die fragen ob es okay ist wenn sie für die Nacht auch hier parken. Sehr nette Leute, die schon einiges auf dieser Welt gesehen haben und uns gute Tipps, besonders für die Mongolei geben können – da waren sie schon zwei Mal.

Natürlich sind die Spanier am nächsten Tag schon lange vor uns weg. Wir lassen den Tag gemütlich angehen, auch heute haben wir keine ganz so weite Strecke vor uns. Als wir gerade am Frühstück sitzen fährt ein Jeep an uns vorbei und hält plötzlich an. Hinten drin sitzen einige Touristen, vom Fahrersitz steigt eine Frau aus und läuft zu uns: „Böblinger, da muss ich doch kurz 'Hallo' sagen!“ Wir sind total überrascht und sie erzählt uns, dass sie aus Tübingen kommt und gerade im Urlaub hier ist. Sie begleitet heute eine Gruppe Touristen ins Bartang Tal, weil sie vor einiger Zeit länger hier gelebt hat und außerdem ein Projekt zum Wiederaufbau von Häusern nach einem schweren Erdbeben aufgezogen hat und schauen möchte wie es voran geht. Während sie spricht kommen mir diese Dinge total bekannt vor. In unserem Reiseführer hatte eine Ethnologin aus Tübingen, die für zwei Jahre im Bartang Tal gelebt und geforscht hat, viele Extra-Seiten zum Pamir, zu den Menschen, Lebensweise, Kultur und Tradition geschrieben (z.B. den Pamir-Knigge). Ich frage sie: „Bist du etwa Stephanie Kicherer?“ Sie bejaht ziemlich verdutzt und ich erkläre ihr, woher ich sie „kenne“. Wie klein ist diese Welt eigentlich?! Mittlerweile lebt und arbeitet sie sogar noch näher, in Herrenberg! Sie bittet uns, uns zu melden wenn wir wieder da sind, sie würde gerne unseren Eindruck von Tajikistan erfahren. Eventuell kann man sich ja sogar mal treffen.
Danach machen wir uns auf den Weg zurück. Wir kommen wieder durch die Dörfer, durch die wir auch beim Hinweg gefahren sind. An einer Stelle fahren wir an zwei Männern mit einem Kinderwagen vorbei, die uns entgegen laufen. Sie bedeuten uns anzuhalten und nach einem kurzen Gespräch, beide können Englisch, laden sie uns zu sich nach Hause ein. Da wir bisher noch in keinem tajikischen Haushalt zu Gast waren sagen wir spontan zu und kommen mit. Wir setzen uns alle zusammen auf den überdachten Tapchan im Garten des Hauses, was sehr gemütlich ist. Wenig später bringt die Frau von Farhod, einem der beiden Männer, Tee und Gebäck/Süßigkeiten und erst jetzt wird uns klar, was heute ist: Fastenbrechen, der erste Tag nach Ramadan! Kurz darauf wird ein riesiger Teller Plov, hier Pilav genannt (traditionelles Reisgericht) gebracht. Wir unterhalten uns sehr nett. Farhod und seine Frau haben drei Kinder und einen kleinen Welpen. Sie haben lange in Russland gelebt, weil er dort gearbeitet hat. Das jüngste der drei Kinder ist noch ein Baby und die Frau ist gerade erst mit dem Baby zurück nach Tajikistan gekommen. Direkt nach der Geburt ist sie mit dem Kind dort geblieben, weil die Russen für in Russland geborene Kinder bestimmte Incentivierungen haben. Die Familie hat dort auch ein Haus, aber sie würden lieber in Tajikistan bleiben. Farhod würde hier gerne eine Firma für die Herstellung von Türen aufmachen, die aus lokalem Holz gefertigt werden und damit sowohl Arbeitsplätze schaffen als auch ein Gegenangebot zu den relativ teuren Türen aus China anbieten. Leider fehlt ihm bis jetzt das Geld, da die Anschaffung der Maschinen alleine 45.000 Dollar kostet. Wenn das nicht klappt muss er eventuell zurück nach Russland, weil es hier nicht genügend Arbeitsplätze gibt.
Wir hatten schon vorab gelesen, dass das Bildungsniveau im Bartang Tal erstaunlich hoch ist und die Menschen hier sehr wissbegierig sind. Das bestätigt sich immer mehr, hier sprechen viel mehr Menschen Englisch als in anderen Teilen des Landes und die beiden Männer erzählen uns von der Schulbildung vor Ort. Gerade Mädchen werden sehr gefördert, da der spirituelle Anführer der meisten Tajiken, der Aga Khan, gesagt hat, wenn er eines seiner Kinder eine gute Ausbildung ermöglichen würde, wäre es das Mädchen. Wir erfahren außerdem, dass es hier in dieser Gegend ein Austauschprogramm mit Deutschland gibt. Unter anderem die Schwester des Freundes von Farhod, der auch bei uns sitzt, ist gerade für ein Jahr in der Nähe von Frankfurt als Au Pair, lernt dort Deutsch und geht in die Schule. Als wir gehen lernen wir den Vater dieses Mädchens kennen und auch er scheint glücklich darüber, dass seine Tochter diese Möglichkeit hat. Wir sind froh, dass wir der Einladung gefolgt sind, es waren sehr schöne und interessante Stunden und wir sind richtig satt. Jetzt kann es losgehen nach Korough, unserem heutigen Tagesziel. Aber da haben wir nicht mit den Tajiken gerechnet! Wir sind gerade 400 Meter gefahren, da fährt ein Auto ganz dicht an uns ran. Jannis wundert sich schon, wird langsamer um das Auto vorbei zu lassen, da zieht es an uns vorbei und fährt direkt vor uns. Drei alte Männer wedeln kräftig mit den Armen: „Chay, Chay!!!“ und winken uns zu sich her. Wir probieren ihnen zu erklären, dass wir gerade erst gegessen haben und weiter müssen, aber keine Chance: sie wollen unbedingt, dass wir mit ihnen einen Tee trinken. Alle drei sind sicher an die 70, zum Teil ohne einen Zahn im Mund, aber ihr Strahlen ist ansteckend. Also nehmen wir auch diese Einladung an und sind im Nachhinein so glücklich, dass wir es gemacht haben.
Wir folgen den drei Herren zum Haus, davor sind noch weitere Personen versammelt. Wir ziehen unsere Schuhe aus und als wir in die Stube eintreten trauen wir unseren Augen nicht: eine riesige Festtafel ist auf dem für die mittelasiatischen Länder so typischen Tischtuch aufbereitet. Alle möglichen köstlich-aussehenden Speisen stehen herum, kein Platz bleibt leer. Es gibt Salate, Gebäck, Teigtaschen, Süßigkeiten, einen riesigen Kuchen und so vieles mehr. Zu allem Überfluss wird noch frisch-gemachter Pilav herein gebracht. Das Haus ist ein typisches Pamir-Haus: zwei Räume, einer ist die Küche, einer für essen und schlafen. Das Dach ist auf Holz gefertigt und oben in der Mitte des Daches ist ein großes Fenster eingebaut, das dem Raum Licht gibt.
 Wir bekommen einen Tee und die ersten zwei (sehr großen) Stücke des frisch mit uns angeschnittenen Kuchens. Er ist wirklich sehr lecker, aber da wir sowieso schon satt waren wissen wir nicht, wie wir klar machen sollen, dass wir danach nichts mehr essen können. Keiner der Anwesenden (Männer, Frauen, Kinder) spricht Englisch und außer uns isst nur noch ein anderer ein Stück des Kuchens, die anderen naschen höchstens mal hier und da. Irgendwann telefoniert der eine Mann und kurze Zeit später taucht eine Frau auf. Es ist seine Schwiegertochter, die Englisch Lehrerin ist. Er hat sie her beordert, damit sie sich mit uns unterhalten kann. Sie ist total nett und erzählt uns, dass es traditionell am Tag nach Ramadan so ist, dass alle Haushalte diese Festtafeln auftischen und über den ganzen Tag verteilt Nachbarn, Verwandte, Freunde und Bekannte vorbei kommen und etwas essen und trinken. Auf der Festtafel darf es keine leeren Plätze geben, zur Not werden sie mit Hefebällchen aufgefüllt. Eine sehr schöne Tradition wie wir finden und so ein Glück, dass wir daran teilhaben dürften. Jannis probiert nach dem Stück Kuchen tatsächlich auch noch den Pilav und ich nehme noch eine Gabel eines Salats, der sehr lecker aussieht. Das wird so akzeptiert. Als es schon Nachmittag ist brechen wir auf. Wir legen unauffällig einen Geldschein unter unseren Teller, wir hatten in dem Bericht von der Ethnologin aus Tübingen gelesen, dass man es so am besten macht. Weil aus der Tradition und dem Glauben heraus dürfen sie nichts annehmen, das bringt Unglück, aber viele Familien sind eigentlich zu arm, um so viel abzugeben. Zum Abschied bekommen wir zu allem Überfluss noch eine riesige Tüte voll mit getrockneten Maulbeeren geschenkt (sieht aus wie eine weiße  Himbeere, schmeckt aber süßer) und eine Tüte voller Hefebällchen und Broten. Wir zeigen ihnen so gut es ohne die Sprache zu sprechen geht unsere Dankbarkeit, das ist viel zu viel. Aber in ihrer Kultur gibt man Reisenden immer noch etwas Proviant mit auf den Weg, Die ganze Familie kommt noch mit zum Bus um ihn sich anzuschauen, selbst die Oma steigt herein und es scheint ihr zu gefallen. Wir schenken allen eine Ritter Sport Schokolade, jeder darf sich eine aussuchen. Als schon der nächste Nachbar uns heranwinkt steigen wir aber schnell ein und fahren los.

Interessante Gespräche und Gewissenskonflikte – Korough und der Wakhan Korridor


Wieder zurück on the road kommen wir bald zum nächsten Kontrollposten. Ein Schweizer mit Fahrrad steht daneben, ihn statten wir noch mit ein wenig Proviant aus, da er nicht weiß wo er das nächste Mal einkaufen kann und uns erzählt, dass er sich Sorgen macht wie viel er schon abgenommen hat seit er los ist. Insgesamt sehen wir in Tajikistan und besonders im Pamir Gebiet mit Abstand die meisten Fahrradfahrer auf dieser Reise. Viele nehmen es sich wohl zum Ziel, einmal den Pamir Highway zu fahren, sehen es als besondere Herausforderung (die es ja auch ist).
Tatsächlich kommen wir an diesem Tag noch in Korough an und bekommen so gar noch einiges erledigt. Unter anderem lassen wir unsere Hinterreifen auf die Vorderachse ziehen und umgekehrt. Das wollte Jannis in weiser Voraussicht noch vor dem Pamir erledigt haben, da die hinteren Reifen viel weniger abgefahren sind als die vorderen und wir so zumindest etwas mehr Grip haben. Wir werden später sehen, dass außer uns eigentlich nur Allrad-Jeeps in diesem Gebiet unterwegs sind. ;)
Einen Schlafplatz finden wir auf einem großen Parkplatz direkt am Park der Stadt.

Da ist am nächsten Morgen natürlich viel los und als unsere Bus-Tür offen steht kommt auch der ein oder andere an und schaut neugierig. Ein Mann in Uniform beginnt sich mit Jannis zu unterhalten über wo wir herkommen, was wir machen etc. Er erzählt, dass auch seine Tochter gerade für ein Jahr in Deutschland ist, sie lebt bei einer Familie in Hamburg. Ehe Jannis sich versehen kann hat der Mann schon das Handy gezückt und ruft seine Tochter in Deutschland an. Jannis bemerkt, dass es in Deutschland jetzt gerade 6 Uhr morgens ist, aber das hält ihn nicht davon ab und die Tochter geht auch tatsächlich dran. Er gibt Jannis das Telefon weiter. Jannis und das Mädchen unterhalten sich auf Deutsch, sie spricht super gut. Sie ist seit 7 Monaten in Hamburg und sehr happy, hat wohl eine tolle Familie die ihr viel hilft und überlegt gerade noch länger zu bleiben, um in Deutschland eine Ausbildung zu machen oder zu studieren.
Nach dem Frühstück machen wir einen Spaziergang durch den Park, damit wir wenigstens etwas von der Stadt gesehen haben. Am Ende des Parks finden wir das Touristeninformationszentrum und da wir im Pamir auf jeden Fall eine Tierbeobachtungstour machen wollen gehen wir rein, um zu fragen wo die besten Möglichkeiten dafür sind. Im Infozentrum kommen wir ins Gespräch mit Thomas, einem Nürnberger, der seit 15 Jahren Russland und die ehemaligen Sowjet-Länder bereist. Ein großer Enthusiast und Experte dieser Länder, der viele spannende Geschichten zu erzählen hat: sei es über den kältesten Ort der Welt, Korruption im Zug, betrunkene Klempner in Russland oder tolle Geschichten in lokalen Familien. Wen die Geschichten interessieren kann gerne auf uns zukommen, das würde den Rahmen dieses Textes sprengen.
Mit Thomas machen wir dann auch noch einen Spaziergang über den örtlichen Basar und essen in einer der Garküchen des Basars. Thomas spricht Russisch, was vieles erleichtert. Das Essen ist lecker und obwohl wir heute eigentlich nicht so spät los wollten verquatschen wir uns total.
Als wir uns verabschieden und zurück zum Bus laufen, werden wir von einer jungen Tajikin angesprochen. Wir verstehen erst nicht, was genau sie von uns möchte, obwohl sie Englisch spricht. Irgendwann aber wird uns klar, dass sie uns gerne das erst kürzlich eingeweihte, vom Aga Khan gespendete Religions- und Bildungszentrum, von dem es in dieser Form weltweit nur vier andere gibt. Das können wir nicht abschlagen und so kommen wir mit ihr mit, werden angemeldet und bekommen eine Führung von einer sehr netten jungen Dame. Diese geht zum Glück nicht ganz so lange, sodass wir am Nachmittag aus der Stadt herausfahren. Auf dem Weg hilft Jannis dem Fahrer eines liegen gebliebenen Autos mit Hilfe von kaltem Flusswasser (Kühlwasser) das Auto wieder in Gang zu bringen, und so schaffen wir es an diesem Tag nicht mehr ganz so weit. Halt machen wir in einer Seitenstraße eines kleinen Dorfes. Mir geht es nicht ganz so gut, daher lege ich mich gleich ins Bett während Jannis sich noch ein wenig mit der lokalen Dorfbevölkerung unterhält und sie Fotos in unserem Bus machen. Die Einladung zu einer Familie nach Hause schlagen wir wegen meines flauen Magens dieses Mal aus.

Die Straßensituation hat sich seit vor Korough zum Glück verbessert und so kommen wir ganz gut voran (durchschnittlich 30 km/h). Wir fahren noch weiter in den Süden und sind ab sofort im Wakhan Korridor unterwegs. So wird das Tal des Panj zwischen Tajikistan und Afghanistan bezeichnet. Der Blick nach Afghanistan ist für diese Tage unser ständiger Begleiter und einem wird schnell klar, dass die Bevölkerung „da drüben“ ein ganz normales Leben führt. Wir sehen Menschen auf dem Feld arbeiten, Feste mit Zelten und geselligem Beisammensein, laut I.A.-ende Esel, die man bis ins Nachbarland hört. In den Dörfern auf tajikischer Seite wir auch viel gearbeitet, tolle, üppige Felder werden bestellt, Tiere werden auf die Weiden getrieben. Überall wird uns freundlich zugewunken. Im Gegensatz zum Tal der sieben Seen sind die Frauen hier weder verschleiert, noch verstecken sie sich vor uns. Das haben wir wirklich nur dort so erlebt. Auch hier passiert es, dass wir Menschen ein Stück mitnehmen, in diesem Teil Tajikistans fahren nämlich keine öffentlichen Verkehrsmittel. Einmal ist es ein Mann, der etwas verwirrt wirkt. Einmal eine junge Englisch-Lehrerin und einmal ein alter Mann mit Gehstock, der kaum die große Stufe in den Bus hinein- und wieder hinaussteigen kann (wir helfen ihm natürlich). Zum Glück haben wir diese extra Sitze eingebaut!!! :)
In einige Dörfern sieht man offensichtlich, wie arm die Bevölkerung zum Teil ist. Als wir in einem Dorf Wasser an einer Quelle tanken kommen Kinder angelaufen, die uns neugierig zusehen. Sie haben relativ zerlumpte und dreckige Kleider (was bei der Staubsituation hier aber auch schwierig ist sauber zu halten). Als wir fahren halten wir ihnen eine Tüte mit Bonbons hin und sie dürfen sich nehmen. Man merkt, dass sie gerne zugreifen.
Die Nacht verbringen wir wieder in einem Dorf mit dem Namen Zong, in dem wir eigentlich nur nach einer Tierbeobachtungsmöglichkeit fragen wollen. Da es aber schon relativ spät ist, entscheiden wir uns hier zu bleiben. Wir stellen uns auf einen Platz etwas oberhalb und sofort als wir die Türen aufmachen haben wir viele Kinder um unseren Bus herum stehen. Wir zeigen ihnen das Innere und machen ein Foto mit allen. Auch ihnen bieten wir ein paar Kekse an und sie greifen richtig zu, sodass am Ende die Tüte leer ist. Das haben wir so noch nicht erlebt, bisher waren die Kinder immer sehr bedacht darauf, jeder nur eins zu nehmen. Wir kochen gerade, als eine ältere Frau mit einer sehr großen Schüssel voll Suppe und einem Brot angelaufen kommt. Diese Leuten teilen einfach für ihr Leben gerne. Wir freuen uns sehr über diese hausgemachte Mahlzeit und sie ist wirklich lecker. Wir danken ihr vielmals, aber sie möchte nichts von uns annehmen.
Am nächsten Morgen sind wieder viele Kinder da. Wir sind uns stellenweise nicht sicher, ob sie auch einen „Bettel-Hintergedanken“ haben, besonders ein Junge ist sehr frech, aber dann kommt eine Großmutter angelaufen und scheucht sie alle weg. Wir verstehen irgendetwas wie „was sollen die Leute für ein Bild von uns bekommen?!“. Man merkt in dieser Region deutlich den Unterschied zwischen der älteren Generation und der Kinder, die mit Touristen etwas anderes zu verbinden scheinen als ihre Großeltern und Eltern. Wir überdenken auch nochmal, was wir hätten anders machen können. Auf der einen Seite wollen wir diesen Menschen, auch den Kindern etwas geben, besonders weil wir auch immer etwas von der Bevölkerung bekommen wenn wir irgendwo halt machen. Das gehört hier einfach zur Kultur dazu. Auf der anderen Seite soll es natürlich auch nicht so sein, dass für die Kinder selbstverständlich wird: Touristen = Geschenke, so wie es im Tal der Sieben Seen war. Eine sehr schwierige Gradwanderung... Wir haben Touristen getroffen, auf deren Autos beim Durchfahren eines Dorfes angeblich mit Steinen geworfen wurde, als sie nichts geben wollten. So etwas darf nicht passieren. Einmal wurden auch wir mitten auf der Straße angehalten von zwei kleinen Kindern, die von einer Jurte angerannt kamen. Wir sind uns ziemlich sicher, dass sie auch einen klaren Hintergedanken hatten. Wer kann es ihnen verdenken? 
Im Laufe des Vormittags kommt ein junger Tajike aus dem Dorf an unseren Bus, der an der University of Central Asia in Korough studiert, eine Uni die auch vom Aga Khan gestiftet wurde und erst vor kurzer Zeit ihre Türen geöffnet hat. Die Uni ist international aufgestellt, mit Dozenten und Studenten aus Ländern weltweit. Nur wenige junge Leute aus den Dörfern hier schaffen den Sprung, obwohl besonders gute Schüler auch über die Aga Khan Stiftung gefördert und finanziert werden. Der junge Mann hat in der Hauptstadt Dushanbe zuerst gut Englisch gelernt und studiert jetzt Informatik. Er will noch weiter studieren in Richtung „Entwicklung“ und später in sein Dorf zurückkommen um sein Wissen anzuwenden und den Menschen zu helfen. Was für ein toller und vor allem wichtiger Plan. Wie oben bereits beschrieben gibt es in Tajikistan schon relativ viel Entwicklungshilfe, manche besser andere schlechter. Beispielsweise wurden Brunnen im Dorf gebaut, eigentlich eine gute Sache, aber im Winter platzen bei der Kälte regelmäßig die Rohre, keiner ist mehr da, der weiß wie man sie repariert und so ist heute nur noch ein Brunnen im gesamten Dorf funktionsfähig. Das will er besser machen. Heute möchte er einen Vortrag in der örtlichen Schule halten über sein Studium an der Uni, um auch andere auf den Geschmack zu bringen. Leider heute schon zum zweiten Mal vergeblich, weil wieder keine Zeit im Unterricht dafür bleibt.

Das „Dach der Welt“ - die schwierigste Etappe mit den schönsten Ausblicken


Nach einem sehr langen und interessanten Gespräch mit ihm machen wir uns auf die Weiterfahrt. Für das, was wir heute vorhaben sind wir spät dran, denn wir wissen, dass in wenigen Kilometern eine blöde Straße auf uns wartet. Zu diesem Zeitpunkt wissen wir allerdings noch nicht wie blöd.
Kurz hinter Zong ist das Dorf Langar und am Ende des Dorfes geht es richtig nach oben. Und zwar leider nicht geradeaus, sondern in Steilen Serpentinen und Schotteruntergrund. Die erste Kurve kommen wir noch hoch, bei der zweiten drehen die Räder komplett durch, wir rutschen rückwärts. Das Problem ist, dass hier erstens noch vereinzelt Häuser stehen und zweitens durch große Steine am Wegrand kaum Platz ist, weder zum Ausweichen noch zum Rangieren. Wir rutschen so lange rückwärts bis wir mit dem Heck in einem großen Schotterhaufen stehen. Mittlerweile haben wir die ersten Zuschauer und eine Gruppe Kinder schwirrt um uns herum, die auch irgendetwas zu wollen scheinen. Was tun? Wir hatten gerade keine Chance, aber wenn wir hier nicht hoch kommen heißt das den ganzen Weg bis nach Korough zurück fahren, um die nördliche Route zu nehmen. Jetzt wissen wir auch, warum hier keine öffentlichen Verkehrsmittel fahren...
Nach kurzer Überlegung machen wir folgendes: wir lassen unser komplettes Abwasser ab, legen alles was Gewicht hat vom Kofferraum ins Fahrerhaus bis ich kaum mehr sitzen kann und räumen die größten Steine aus dem Weg. Jannis fährt zurück und nimmt nochmal richtig Anlauf. Und dann: Vollgas! Gerade so schaffen wir es rutschend im ersten Gang um die Kurve, jetzt auf keinen Fall anhalten sondern weiter. Puh, wir haben es geschafft!! Die einzige Möglichkeit die wir noch gehabt hätten wäre Luft aus den Reifen zu lassen. Wir fahren so lange, bis wir eine gerade Stelle erreichen an der wir ohne Probleme wieder anfahren können. Jetzt erst einmal tief durchatmen, das war nicht ohne... Wir haben beide ein bisschen Bammel vor dem Rest der Strecke und hoffen, dass wir das Schlimmste hinter uns haben. Wird die Straße schlimmer, heißt das für uns zurück fahren.
Die Straße, die eigentlich keine ist sondern Piste, führt immer weiter hinauf, an diesem Tag machen wir richtig Höhenmeter. Es geht von 2.700m auf 4.300m hoch. Das Panorama der Strecke ist atemberaubend: beim Blick zurück sieht man den mächtigen Hindukusch mit seinen schneebedeckten Spitzen, der uns die letzten Tage begleitet hat, beim Blick nach rechts einen tiefen Canyon vor wunderschön geformten farbigen Bergen, die alle über 5.000m, 6.000m und zum Teil sogar 7.000m hoch sind, links steile Schotterhänge und geradeaus eine Piste, bei der man die Abhänge nach rechts unten nicht so genau anschauen möchte, weil man nicht weiß wie man hier jemals einem Auto ausweichen soll. Aber es geht. Zwar kommen uns an einem ganzen Tag maximal drei Autos oder Laster entgegen, aber es klappt immer irgendwie. Unsere Mittagspause verbringen wir alleine inmitten dieser grandiosen Berglandschaft. Aber heute steht noch der Pass an, der uns offiziell auf's „Dach der Welt“, wie der Pamir Highway genannt wird, bringt.
Die Situation in Langar bleibt Gott sei Dank die Schwierigste und so kommen wir ohne Probleme über den Pass. Wir sind uns erst sogar gar nicht sicher, ob das schon der Pass war, aber danach geht es nur noch runter, also muss er es gewesen sein. Als wir merken, dass wir es geschafft haben machen wir wahr, was wir uns am Abend davor versprochen hatten: wir huldigen unserem grandiosen Bussle!! Jannis auf den Knien, ich mit Kuss auf die Motorhaube. Dieser Fiat Ducato ist einfach eine Maschine. Ohne Murren hat er uns die letzten ca. 18.000km bis auf das Dach der Welt befördert, wo andere bestens für so einen Trip ausgestattete Jeeps (Dieselpartikelfilter ausgebaut, viel Bodenfreiheit, verstärktes Fahrweg, Allrad, zusätzliche Kraftstofffilter, XXL Tanks, ...) schon Pannen jeglicher Art hatten. Wir sind stolz! :)
Auf dem Weg sehen wir wilde Hasen und Murmeltiere – richtig süß. Da wir unser Tagesziel erreicht haben können wir jetzt in Ruhe einen Schlafplatz suchen. Die Landschaft nach dem Pass ist erst wie aus hell-beigem Sandstein, etwas später wird sie immer mehr zur Mondlandschaft. Wir sind die einzigen Menschen weit und breit und so finden wir einen Platz direkt an einem kleinen See und fühlen uns wie auf dem Mond. Allerdings merken wir schnell, dass wir hier auf knapp 4.000m stehen: es ist viel kälter und es weht ein richtig ordentlicher Wind. Wir überlegen sogar den Bus umzuparken, weil er so gegen unsere Wände peitscht. Und noch etwas lässt uns merken, dass wir hier so hoch oben sind: wir können beide nicht richtig schlafen. Wir schlafen zwar relativ früh ein, weil wir beide erschöpft sind von diesem aufregenden Tag, aber nach ca. zwei Stunden liegen wir beide hellwach im Bett und können über Stunden nicht mehr richtig einschlafen. Wir merken, dass unser Puls und somit unser Herz schneller schlägt (wir haben vorher und nachher gemessen, wir beide hatten tatsächlich 10 bis 15 Schläge mehr pro Minute) und es schwerer fällt zu atmen. Am Tag fällt das gar nicht so auf, aber wenn man liegt und versucht zu schlafen merkt man es deutlich. Dies wird uns auch die nächsten ein bis zwei Nächte so gehen, erst langsam gewöhnen wir uns daran. Tagsüber merken wir außer gelegentlichen leichten Kopfschmerzen eigentlich nichts, außer, dass zum Beispiel wandern etwas anstrengender ist. Aber einen Vorteil hat das Ganze: als wir so wach da liegen guckt Jannis aus dem Fenster und sieht einen absolut grandiosen Sternenhimmel! Die Milchstraße ist hier oben total klar, weil weder Licht noch Staub oder Smog oder sonst etwas den Himmel bedecken. Noch dazu ist es wolkenfrei und wir können uns an den Millionen von funkelnden Sternen kaum sattsehen. Jannis bugsiert sogar die Kamera samt Stativ durch das Dachfenster, um dieses tolle Szenario aufzunehmen und nimmt in Kauf, dass seine Hände vor Kälte fast abfrieren.

Wildlife Beobachtungen und der höchste Pass der Reise – Auf dem Pamir Highway

Nach einem gemütlichen Frühstück am See geht die Fahrt weiter. Dieser Abschnitt der Strecke ist auch eins unserer absoluten Highlights der Tajikistan Reise. Man kann die Landschaft eigentlich kaum beschreiben, von Mond-, über Sand- und Salzlandschaft, dann wieder Gräser, alles bergig, überall Murmeltiere, ab und an sogar Schäfer mit ihren Schafherden, aber die meiste Zeit ist man ganz allein. Als die Südroute auf die Nordroute trifft und damit wieder zum eigentlichen Pamir Highway wird kommen wir an einen wunderschönen See mit toller Farbe, mitten in dieser skurrilen Landschaft. Ab hier sind die Straßen wieder asphaltiert und bis auf ein paar Schlaglöcher oder Bodenwellen ist die Fahrt angenehm. Man fährt immer auf um die 4.000m. Wir wollen nach Alichur, weil uns der Mann im Tourist Information Center in Korough empfohlen hat, hier bei einer lokalen NGO die Wildbeobachtungstour zu machen. Alichur ist das höchste Dorf Tajikistans und auch das kälteste. Im Winter kann es hier -40 Grad geben und auch jetzt im Sommer ist es trotz Sonnenschein nicht wirklich warm. Das Dorf ist mitten in eine Ebene gebaut und die niedrigen, meist weißen Häuser stehen breit verstreut. Es gibt keine Wege oder Straßen, man fährt einfach auf dem Erdboden im Dorf umher. Wir fahren zu dem Homestay, dass uns gesagt wurde und fragen nach der Kontaktperson. Diese ist leider nicht da, aber wir telefonieren und wenig später kommt einer der Wildlife Guides zu uns an den Bus und erklärt uns, was für Optionen es gibt. Er nimmt uns mit zum Haus seines Chefs, des Gründers der Organisation. Die Touren zielen hauptsächlich darauf ab, dass vom Aussterben bedrohte Marco Polo Schaf und die Ibex (Steinbock) mit ihren riesigen Geweihen zu sehen. Theoretisch gibt es hier oben auch Wölfe, Bären und Schneeleoparden, diese zu sehen ist aber sehr schwer. Wölfe und Bären sind im Winter wahrscheinlicher, wenn sie zum Fressen in niedrigere Gefilde bzw. näher an die Dörfer ran kommen. Schneeleoparden aber sind außerordentlich schwer zu sehen, da sie (zum Glück!) sehr scheu sind und es leider nur noch sehr wenige Tiere gibt. Als wir ihn danach fragen zeigt er uns aber tatsächlich ein Video von einer der Wildlife-Kameras die sie aufgestellt haben. Man sieht an Datum und Uhrzeit oben, dass das Video nur 3 Wochen alt ist und tatsächlich läuft ein Schneeleopard ins Bild, kratzt sich an einer Felswand und geht dann wieder weiter. Und das Ganze wurde in einem der Seitentäler des Schutzgebietes aufgenommen, direkt hier um die Ecke! Wow!
Auch die beiden Wildschaf-Arten sind sehr scheu, denn alle diese Tiere werden von Wilderern immer wieder illegal abgeschossen. Und genau hier setzen die lokalen Organisationen an, die diese Wildbeobachtungstouren anbieten. Einige, aber nicht alle der Guides sind selbst ehemalige Wilderer. Durch die Arbeit als Guide verdienen sie genug, um nicht mehr illegal zu jagen. Pro Jahr gibt es eine festgelegte Anzahl an Abschüssen alter Tiere für ausländische Jäger, die wegen ihrer durch das Alter sehr großen Geweihe viel Geld einbringen. Mit diesem Geld werden nicht nur die Guides, sondern Schutzmaßnahmen für die Tiere bezahlt, zum Beispiel  Nagelblockaden, die die Reifen der Wilderer durchstechen wenn sie in das Schutzgebiet fahren. Und die Einnahmen unterstützen immer auch andere soziale Projekte in den Dörfern, zum Beispiel an Schulen. Die Projekte haben zum Glück Erfolg, die Tiere vermehren sich wieder, das Verständnis für das Thema wächst bei der Bevölkerung. (Anmerkung von mir: Trotz allem fragt man sich, wer zur Hölle es geil findet, diese wundervollen Tiere einfach abzuschießen und die Geweihe als „Jagdtrophäe“ mit nach Hause zu nehmen. Dafür zahlen diese „Kunden“ zum Teil 15.000 €. Mit etwas anderem als Machtgeilheit kann ich mir das nicht erklären, ich persönlich finde es einfach nur ekelhaft. Zu allem Überfluss werden diese Jäger mit ihrer „Trophäe“ und natürlich mit Waffe abgelichtet, unser Guide hat uns leider mehrere dieser Bilder gezeigt.)
Wir machen mit ihnen aus, dass wir noch an diesem Nachmittag ca. 30 km von hier einen der lokalen Guides treffen und mit ihm in ein Seitental und zu einem Ranger Haus fahren. Wir werden probieren heute noch Tiere zu sehen, aber wenn keine da sind, was immer passieren kann, gehen wir am nächsten Morgen nochmal ganz früh los, denn da ist die Wahrscheinlichkeit am höchsten. Die Guides kennen sich in der Natur hier aus wie in ihrer Westentasche und wissen ganz genau, wann die Tiere eventuell wo sind um Futter zu suchen, bevor sie wieder höher in die Berge gehen.
Sie fragen uns noch nach unserem Auto, weil der Weg ins Seitental wohl etwas schwierig ist, aber wir beschließen es zu probieren und zur Not umzudrehen. Pünktlich um 15.00 Uhr treffen wir den Guide in seinem uralten russischen UAZ-Jeep und fahren hinter ihm noch ein paar Kilometer weiter. Dann biegt er nach links in die Landschaft ab, wir folgen. Schon der „Abhang“ von der normalen Straße ins Seitental ist für unseren Bus eine kleine Herausforderung. Danach geht es auf festerem Erdboden immer weiter ins Tal hinein, zum Glück sind die Flussbetten durch die wir fahren im Moment ausgetrocknet. Die schwierigste Stelle kommt kurz vor der Ankunft an der Ranger-Hütte. Der Graben, den wir durchfahren müssen ist tief und schmal, die Gefahr entweder vorne oder hinten hängen zu bleiben ist groß. Jannis fährt ganz langsam hindurch und es klappt zum Glück.
Die Ranger-Hütte ist ein kleiner, spärlich eingerichteter Container mit Ofen und Schlafmatratzen. Der Guide richtet sich kurz ein und wir ziehen uns warm an, dann fahren wir mit dem russischen Jeep noch weiter rein. Es geht über Stock und Stein. Mindestens drei Mal geht der Jeep aus, aber der Guide weiß immer wieder wie er ihn an kriegt. Er ist schon lange Guide und sagt uns später, er liebt diesen Beruf, weil er damit die Tiere schützen kann. Er kennt sich perfekt aus. Als wir mit dem Jeep halten und ab hier weiter laufen, er hat ein Fernglas und ein großes Fernrohr dabei, sieht er Dinge, die wir niemals erkannt hätten. Sobald er eine Herde Tiere erspäht, zeigt er sie uns erst durch das Fernrohr und dann wandern wir langsam näher heran. Natürlich nie zu nah, weil wir die Tiere sonst stören wurden.
Man muss richtig schnell sein, die Herde Ibex die wir von Weitem gesehen haben bemerkt uns irgendwann und springt auf spektakuläre Weise davon. Das sind wirkliche Bergkünstler, sie kommen jeden noch so steilen Felsen herauf, springen grazil von A nach B. Wir sehen sie später nochmal, sie sehen wirklich toll aus.
Wir laufen weiter, Jannis und ich versuchen auch immer etwas zu entdecken, leider ohne Erfolg. Außer einen Adler den Jannis erspäht. Im Gras liegen immer wieder Skelette und Geweihe von toten Tieren und der Guide erklärt uns, dass hier Wölfe jagen. An einer Stelle zeigt er uns ein aufgebuddeltes Murmeltier-Loch, das war ein Bär. Er zeigt uns außerdem  die verschiedenen Spuren der Tiere, es ist wirklich interessant. Zwischendurch erspäht er in der Ferne eine Gruppe Wildschafe, die aussieht wie Lamas, leider habe ich den Namen vergessen. Durch das Fernglas können wir sie gut sehen. Und dann, wir sind eigentlich gerade auf dem Weg zu einem anderen Spot, schaut der Guide nochmal durch's Fernglas und jauchzt überrascht auf. Als er es uns gibt sehen wir, dass direkt vor uns auf einer Grasfläche eine große Herde Marco-Polo-Schafe grast – wow! Wir schleichen uns ganz langsam und geduckt heran, fühlen uns wie auf einer Safari. Die Tiere sehen toll aus, ganz majestätisch. Sie sind riesig, könnten auch in Afrika leben. Sie haben wunderschön geformte Geweihe, die aussehen wie die Perücken der Adligen in früheren Zeiten. Es sind insgesamt 10 Tiere, wir haben Glück. Wir beobachten sie lange, irgendwann gehen sie sogar an den Fluss, trinken und springen hinüber. Das war eine erfolgreiche Tour! Als wir zurückfahren sehen wir noch Yaks, diese riesigen, langhaarigen, Rinds-ähnlichen Tiere. Sie sind sehr beeindruckend, sehen aus wie aus einer anderen Zeit. Sie leben hier allerdings nicht wild.
Zurück am Ranger-Haus besprechen wir mit dem Guide, dass er doch wieder in sein Dorf zurückfährt, weil wir morgen früh keine Tour mehr machen – wir haben ja alles gesehen was geplant war. Wir bleiben hier in der Einsamkeit ganz alleine. Wir hoffen, in der Dämmerung oder im Morgengrauen eventuell doch noch einen Wolf oder Bär zu sehen, aber wir sehen nur die Weiten dieses wunderschönen Gebiets.
Am nächsten Morgen wollen wir zeitig los. Wir hoffen, dass wir gut hier raus kommen, wenn nicht haben wir wirklich ein Problem denn hier ist – keiner! Und es wäre sehr weit in die nächste Ortschaft zu kommen. Diese Angst ist nicht ganz unbegründet, denn gestern Morgen hatte unser Bus Schwierigkeiten zu starten. Da wir auf 4.000m stehen sind gleich zwei Dinge anders: es ist kalt und der Luftdruck ist anstatt bei 1,0 bar bei ca. 0.6. Wenn der Bus morgens durch die Kälte sowieso schon schwerfälliger ist und dann noch weniger Luft in den Motor kommt als normalerweise, hat er keine Power, man drückt das Gas und es passiert kaum etwas. Erst, wenn man ihn auf über 1,5 T Umdrehungen bringt und der Turbolader den fehlenden Druck ausgleicht, bekommt er seine Power zurück. Das dauert aber ein bisschen und nachdem es uns erst ein Mal passiert ist wissen wir natürlich nicht, ob das immer so klappt. Die Sorge ist da, dass dies auch heute passiert, denn wir stehen wieder so hoch oben und, dass wir dieses Mal nicht wegkommen. Also brechen wir ohne Frühstück auf, das wollen wir lieber in Ruhe nachholen wenn alles geklappt hat. Tatsächlich macht der Bus die gleichen Faxen wie am Tag zuvor und Jannis muss die Drehzahl richtig in die Höhe treiben, damit er nicht aus geht. Problem ist, dass der beschriebene Graben, durch den wir gestern schon mit absoluter Vorsicht fahren mussten, gleich am Anfang kommt und wenn der Wagen hier drin abschmiert stecken wir fest. Also fährt Jannis mit Schwung durch und es passiert das was passieren musste: wir bleiben erst vorne und dann hinten hängen. Zum Glück bleiben wir nicht stecken, fahren also direkt weiter um nicht noch stehen zu bleiben. Die Auffahrt hoch zur „normalen“ Straße klappt zum Glück ohne Probleme und so halten wir auf dieser Straße nach ein paar Metern an, um unters Auto zu schauen. Hinten ist nur ein bisschen der Lack ab, der Unterbodenschutz vorne dagegen hat gelitten. Er ist verbogen, zum Teil gebrochen und hängt an einer Stelle runter. Aber wir können weiter fahren und frühstücken erst einmal. Zum Glück gibt es in diesen Ländern immer wieder Montage-Rampen am Straßenrand. Genau so eine fahren wir an und Jannis repariert den Unterbodenschutz notdürftig mit einigen Spax-Schrauben und Kabelbindern. Aber es reicht und wir können weiterfahren.

Es geht hinauf auf den höchsten Pass unserer Reise, den Ak-Baital Pass auf 4.655m. Die Straße wird zur Piste und nach einer ordentlichen Steigung erreichen wir den Pass ohne Probleme. Einige „Siegerfotos“ später geht es wieder runter. Die Weiterfahrt ist ruhig, wir genießen unseren vorletzten Tag in diesem schönen Land. Zum Abschluss kommen wir an den unglaublich tollen Karakol, einen türkisblauen See vor schneebedeckter Bergkulisse. Ein grandioser Anblick. Wir stellen uns direkt an den See, hinter uns ist nur ein kleines Dorf. Der Wind peitscht mit über 80 km/h und wir sitzen gemütlich im Bus und erfreuen uns an diesem Naturschauspiel. Bis auf einen kleinen Spaziergang machen wir nicht mehr viel. Gegen Abend kommen zwei Kinder aus dem Dorf zu uns, aber wir können uns kaum unterhalten. Irgendwann fragen sie uns nach einem Stift und Papier. Wir sind uns erst unsicher, aber da es so „nützliche“ Dinge sind geben wir es ihnen. Im Nachhinein wissen wir nicht ob das richtig war, aber wie oben bereits beschrieben: es ist immer eine Gradwanderung. Am nächsten Morgen bringt uns das Mädchen ein Brot und Hefebällchen vorbei. Wir wollen es erst nicht annehmen aber sie besteht darauf. Als sie danach noch eine Weile vor dem Bus wartet verstehen wir irgendwann, dass sie etwas Geld möchte. Wir geben ihr ein paar Cent für das Brot, aber in dem Moment kommt ihre Oma an, die wahrscheinlich das Brot gebacken hat und gesagt hat sie soll es uns bringen. Sie holt das Mädchen sofort von uns weg. Auch hier wieder das gleiche Spiel wie im Dorf Zong. Das ist keine gute Entwicklung.

Nachdem wir alles erledigt haben machen wir uns auf den Weg zur Grenze nach Kirgistan. Irgendwann kommen wir an zwei völlig abgeranzte, spärliche Häuschen. Es ist eiskalt, kurze Zeit später beginnt es zu schneien. Hier, in diesen jämmerlichen Containern sitzen die warm eingepackten Grenzbeamten. Alles läuft glatt, unser Auto wird nicht kontrolliert und nur ein Beamter versucht ganz kurz, uns ein paar extra Somoni (die lokale Währung) abzuknöpfen – als er merkt wir lassen uns nicht darauf ein lässt er aber sofort ab. Das war das einzige Mal, dass wir so einen Fall hatten, entgegen vieler anderer Berichte.

Wir sind glücklich, den Pamir erfolgreich hinter uns gebracht haben und traurig zugleich, dieses Land mit seinen tollen Landschaften und Menschen zu verlassen. Und noch einmal sind wir unglaublich stolz auf unser Bussle! So oft während dieser drei Wochen haben wir gesagt, wie unfassbar froh wir sind, mit diesem Fahrzeug unterwegs zu sein. Wenn es draußen kalt und ungemütlich ist, können wir es uns drinnen richtig bequem machen. Und wir kommen auch an fast jede Stelle, das hat sich in Gesprächen mit anderen Jeep-Reisenden immer wieder bestätigt. Viele nutzen nämlich die Möglichkeiten ihres Fahrzeugs nicht aus, entweder weil sie kein Interesse am richtig Offroad-Fahren haben, aber hauptsächlich, weil sie ihr (teures) Auto schonen möchten, um es noch ein paar Jahre fahren zu können. Außerdem finden wir es ehrlich gesagt auch ziemlich schön (und besser für die Natur), nicht immer bis zum letzten Zipfel mit dem Auto zu fahren, sondern auch mal zu wandern oder die Gegend mit dem Fahrrad zu erkunden. Im Gegensatz zu den meisten anderen Autos haben wir noch unseren Dieselpartikelfilter (und die Euro-5 original Werkseinstellung) und entgegen vieler Warnungen hat er trotz 215.000 Kilometern, Höhen über 4.000m und ohne Additive keine Murren gemacht. Dazu kommt, dass wir selbst den Pamir Highway mit unter 10 Litern/100km Verbrauch gefahren sind!
Wegen all diesen Dingen und noch so vielen mehr würden wir diesen Fiat Ducato, so wie er ist, auch ohne Allrad, immer wieder für diese Reise kaufen. DANKE, Bussle, du bist einmalig!!!

Hier gibt's die Bilder zur Geschichte
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